ZHAW-Forschende wenden Quantencomputer erfolgreich in der Praxis an
Quantencomputer können im Vergleich zu klassischen Computern komplexe Problemstellungen parallel und somit schneller lösen, doch sie sind auch an-fälliger für Fehler. ZHAW-Forschende zeigen, wie mithilfe eines Hybrid-Ansatzes die Stärken von Quantencomputern gezielt genutzt werden können.
Quantencomputer kennen nicht nur den Zustand 0 und 1, sondern können durch sogenannte Qubits – analog zu Bits klassischer Rechner – mehrere Zustände zwischen 0 und 1 repräsentieren und dadurch viele mögliche Ergebnisse gleichzeitig berechnen. Qubits sind jedoch anfällig für Fehler, etwa durch äussere Einflüsse wie Temperaturschwankungen oder elektromagnetische Strahlung. Aber auch durch interne Prozesse können Fehlberechnungen entstehen, da die Qubits nur kurz in einem stabilen Zustand bleiben. Deshalb braucht es also möglichst kleine Algorithmen, mit denen Quantencomputern möglichst schnell Ergebnisse berechnen können, bevor die Qubits instabil werden.
Stärke des Quantencomputers gezielt nutzen
Bislang gibt es vor allem theoretische Arbeiten, wie sich diese Vorteile von Quantencomputer im Bereich Quantum Machine Learning nutzen lassen. Praktisch angewendet wurde diese Computertechnologie jedoch bisher kaum. ZHAW-Forschende haben nun erstmals eine neue Methode gewählt, mit der bei Quantencomputern exaktere Ergebnisse bei komplexen Problemstellungen erzielt werden können. «Wir haben mithilfe eines Hybrid-Ansatzes den komplexesten Teil eines Algorithmus in einen Quantencomputer implementiert, den restlichen Teil jedoch weiterhin von einem klassischen Computer berechnen lassen», erklärt ZHAW-Forscher Kurt Stockinger. Der dabei verwendete Machine Learning-Algorithmus wird zu Klassifizierung von Objekten genutzt. Da Quantencomputer vor allem bei hochkomplexen Berechnungen stark sind, jedoch bei einfachen Aufgaben keinen Vorteil gegenüber klassischen Rechnern bieten, könnte eine Kombination beider Systeme tatsächlich eine effiziente Lösung sein.
Mit Quantencomputer von IBM getestet
Die ZHAW-Forschenden führten ihre Versuche mit insgesamt fünf Datensätzen durch und liessen die Berechnungen von Quanten- sowie klassischen Computern berechnen und verglichen die Ergebnisse miteinander. Dazu nutzten sie die Möglichkeit, sich direkt an einen Quantencomputer von IBM anzudocken. Somit konnten sie die Berechnung simulieren und konkret von einem Quantencomputer durchführen lassen. Getestet wurde der Ansatz unter anderem an dem sogenannten Iris-Datensatz, der Informationen zu Blumen enthält und zur Klassifizierung einzelner Blumenarten eingesetzt wird. Und tatsächlich führte die Hybrid-Methode zu exakteren Resultaten. «Wir konnten damit zeigen, dass klassische Machine Learning-Probleme durch den Hybrid-Ansatz besser lösbar sind als mit klassischen Computern», fasst Stockinger das Ergebnis zusammen.
Neuronale Netze durch Quantencomputer optimieren
Auch haben die ZHAW-Forscher neuronale Netze eingesetzt, da diese auf mehreren Schichten komplexe Muster innerhalb grosser Datenmengen erkennen können. Das Team um Kurt Stockinger und Rudi Füchslin verwendete einen Wetter-Datensatz mit vielen untereinander abhängigen Parametern wie Luftfeuchtigkeit, Luftdruck oder Temperatur und fütterten damit ein neuronales Netz, um damit am Ende das Ergebnis «Regen» oder «Sonnenschein» zu bekommen. «Eine bestimmte Schicht dieses Netzes implementierten wir in den Quantencomputer. So ist es möglich, mehrere Abhängigkeiten gleichzeitig zu berechnen und anzuschauen. Dadurch sind deutlich genauere Wetterprognosen möglich», beschreibt Stockinger den Vorteil der Methode. «Jedoch steht die Forschung hier noch ganz am Anfang, da weiter untersucht werden muss, wie neuronale Netze am effektivsten in einen Quantencomputer implementiert werden können».
Vielfältige Möglichkeiten für Industrie und Wissenschaft
«Wir sind jetzt von der Theorie zur Anwendung gelangt. Damit wird die Technologie nun auch für Unternehmen interessant», so Stockinger. Viele Unternehmen zeigen auch bereits grosses Interesse an den Vorteilen des Quantencomputing, auch mit Blick auf die Möglichkeiten in der Sicherheitstechnologie. «Gerade Banken haben starkes Interesse an dieser Technologie, da ihre Verschlüsselungsmethoden durch Quantencomputer geknackt werden könnten», erläutert der ZHAW-Forscher. Eingesetzt werden kann die Technologie auch in vielen anderen Bereichen wie bei der Entwicklung von neuen und verbesserten Materialien oder Medikamenten. «Es sind die gleichen Anwendungsgebiete wie beim Machine Learning, nur mit dem entscheidenden Unterschied, dass Quantencomputer schneller und exaktere Ergebnisse liefern können», bringt es Kurt Stockinger auf den Punkt.