«Weitermachen wie bisher ist keine Option»
Beat Aeberhard ist Kantonsbaumeister von Basel-Stadt. Seit 2015 leitet er die Dienststelle Städtebau & Architektur im Bau- und Verkehrsdepartement. Im Interview spricht er über aktuelle Projekte, die Rolle des Kantons, Nachhaltigkeit im Bau und preisgünstigen Wohnraum.
Zur Person
Beat Aeberhard ist Kantonsbaumeister von Basel-Stadt. In dieser Funktion leitet er seit 2015 die Dienststelle Städtebau & Architektur im Bau- und Verkehrsdepartement. Zuvor war er während sieben Jahren Stadtarchitekt von Zug. Er studierte Architektur an der ETH Lausanne und Zürich sowie Urban Design an der Columbia University in New York. Überdies war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Urban Design Program der Columbia University. Beat Aeberhard wurde 1969 geboren und wuchs in Zürich und New Orleans auf.
In Basel wird seit Jahren aktiv gebaut. Was prägt die Entwicklung der Stadt im Moment besonders?
Basel ist attraktiv. Die Bevölkerung wächst, und die Anzahl Arbeitsplätze nimmt zu. Wir haben die Chance, mehrere nicht mehr benötigte Industrie- und Logistikareale sowie unternutzte Gewerbegebiete in neue Stadtquartiere zu transformieren. In enger Abstimmung mit den jeweiligen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern entwickeln wir in den nächsten Jahren aus diesen bislang teilweise geschlossenen Arealen lebendige, grüne und durchmischte neue Quartiere.
Welches sind die wichtigsten Projekte?
Jedes Areal hat seine eigene Geschichte und Prägung. Auf dem Dreispitz Nord wird vereinfacht gesagt aus einem Parkplatz ein lebendiges Stadtquartier. Auf dem Areal Walkeweg erproben wir ein neues Modell einer zeitgemässen Gartenstadt. Auf Rosental Mitte kann neben einer dringend benötigten Vernetzung der umliegenden Quartiere neuer Wirtschaftsraum geschaffen werden. Und in Basels Norden wachsen die bestehenden Stadtteile in den Gebieten Volta Nord, Klybeck- und Westquai sowie auf dem Klybeck-Werkareal weiter. Es entstehen neue Nachbarschaften mit eigenem Charakter, die sich mit der restlichen Stadt verweben. Wichtig ist, dass von diesen Entwicklungen insbesondere auch die bestehenden Quartiere profitieren. Die städtebaulichen Entwicklungen werden begleitet von grösseren Infrastrukturvorhaben, wie etwa dem Ausbau der tri-nationalen S-Bahn oder dem Rheintunnel zur Entlastung der Osttangente.
Gibt es Leuchtturm-Projekte?
Ich finde es schwierig, von Leuchttürmen zu sprechen. Richtig ist, dass wir die Entwicklung der einzelnen Vorhaben ambitioniert angehen. Die unterschiedlichen Transformationsareale betrachten wir dabei als Experimentierflächen. Wir untersuchen jeweils genau, wofür sich welches Areal am besten eignet. In dem Sinn betreiben wir eine Art angewandte Forschung des Städtebaus. So wird etwa das heute praktisch vollflächig versiegelte Areal Dreispitz Nord inskünftig über rund 50 Prozent Grünfläche verfügen. Auf dem Dach des bestehenden Shopping Centers entsteht eine Sekundarschule, und ein vielfältiges Wohnangebot soll das heute ausschliesslich dem Einkauf vorbehaltene Areal ergänzen. Auch vermeintlich kleinere Entwicklungen weisen eine Vorbildfunktion bezüglich Transformationsprozess auf: Auf dem Westfeld zum Beispiel entstehen über 500 Genossenschaftswohnungen, und im Kleinbasel entwickelt sich mit Rosental Mitte ein Forschungsstandort zu einem vollwertigen Stadtteil. Wichtig ist uns, dass wir diese umfassenden Veränderungen sorgfältig und mit Einbezug der Bevölkerung planen und umsetzen.
Der Kanton nimmt beim Bauen verschiedene Rollen ein – etwa als Grundbesitzer, Bauherr, Baubewilligungsgeber. Welches sind dabei die grössten Herausforderungen?
Übergeordnetes Ziel sind eine hohe Lebens- und Aufenthaltsqualität für alle. Dazu gehört über das Ganze gesehen ein durchmischtes und ausgewogenes Angebot für Wirtschaft, Gewerbe, Wohnen, Bildung, Freizeit und Erholung. Die Interessenabwägung ist dabei eine der wichtigsten Aufgaben. Wir arbeiten an der Stadt für alle.
Wie sieht es mit günstigem Wohnraum in der Stadt Basel aus?
Die Frage nach erschwinglichem Wohnraum hat in Basel in den vergangenen Jahren eine Brisanz erreicht, der sich niemand entziehen kann. Mehrfach wurde über Fragen des preisgünstigen Wohnangebots oder des Wohnschutzes abgestimmt. Dabei wurden die Vorschriften laufend verschärft. Auf den grossen Transformationsarealen muss gemäss kantonalem Richtplan ein Drittel der Wohnungen preisgünstig angeboten werden. Gegenwärtig steht mit der Initiative «Basel baut Zukunft» eine Forderung im Raum, welche 50 Prozent gemeinnützigen Wohnungsbau auf den Transformationsarealen fordert. Die Regierung erarbeitet hierzu einen Gegenvorschlag.
Heute sind die Forderungen in der Bauwirtschaft zur Energie-, Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit nicht zu überhören. Ist dies für Sie eine Last oder eine Chance?
Wir nehmen diese Herausforderungen als Chance wahr. Wir sind in der Pflicht, nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen. Weitermachen wie bisher ist schlicht keine Option. Kreislaufwirtschaft und Dekarbonisierung lauten die Ziele. Das verlangt von allen Beteiligten, sich aktiv für nachhaltige und energieeffiziente Lösungen einzusetzen. Wir als Behörde haben eine Schlüsselrolle bei der Erreichung dieser Ziele. Wir müssen Bauteile wiederverwenden, aber auch Normen und Raumstandards hinterfragen.
Wird das Thema Nachhaltigkeit auch in den Projektwettbewerben berücksichtigt?
Aktuell laufen in Basel zwei grössere Projektwettbewerbe. Beide nehmen das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus: Auf dem Areal Walkeweg Nord sollen die Wohnungen ressourcenschonend und bauökologisch vorbildlich erstellt und energieeffizient betrieben werden. Im offenen Wettbewerb für ein Wohnbauprojekt am Schliengerweg wollen wir in Zusammenarbeit mit der Grundeigentümerin Immobilien Basel-Stadt ein Projekt mit günstigen Wohnungen umsetzen, welches das Ziel «Netto-Null bis 2040» mit ReUse-Bauteilen erreicht. Der Kanton hat hierzu eine eigene Bauteilbörse ins Leben gerufen. Wir nehmen unsere Vorbildfunktion im Sinne der Kreislaufwirtschaft ganz konkret wahr.
Kürzlich wurde das städtebauliche Leitbild für das Klybeck-Areal präsentiert. Was beinhaltet dieses und wie wurde es aufgenommen?
Das städtebauliche Leitbild beschreibt unter anderem die Eckpunkte der Entwicklung bezüglich Frei-und Grünräumen, Wohnen und Arbeiten, Mobilität, Städtebau sowie Nachhaltigkeit und Umwelt. Es zeigt auf, wie ein lebenswerter Stadtteil aussehen könnte und wie dieser entsteht. Das Leitbild weist überdies nach, inwiefern die Anliegen aus dem bisherigen Beteiligungsprozess der Bevölkerung in die Planung eingeflossen sind. Unter anderem deshalb ist das städtebauliche Leitbild von der Öffentlichkeit grundsätzlich gut aufgenommen worden. Es ist uns gelungen, den aktuellen Stand der Planung nachvollziehbar zu vermitteln.