Schweizer Geburtenrate auf historischem Tiefstand

Juli 2024

Die Schweiz verzeichnet einen starken Rückgang der Geburtenzahlen. Dieser demografische Wandel hat tiefgreifende wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen. In diesem Artikel beleuchten wir die Ursachen und möglichen Folgen dieses Phänomens.

Das Bundesamt für Statistik hat die Zahlen zu den natürlichen Bevölkerungsbewegungen in der Schweiz für das Jahr 2023 veröffentlicht. Die Geburtenzahl erreichte einen historischen Tiefstand. Zwischen 2021 und 2023 sank die Zahl der Lebendgeburten um mehr als 10 % auf 80’024 Geburten. Das natürliche Bevölkerungswachstum betrug nur noch 8’200 Personen, etwa die Hälfte des Durchschnitts der letzten zehn Jahre. Die zusammengefasste Geburtenziffer erreichte 1.33 – ein noch nie dagewesener Wert in der Schweiz.

Geburtenentwicklung: Detaillierte Analyse
Der Rückgang betrifft sowohl Kinder mit schweizerischer als auch mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Die Geburten von Schweizer Kindern sanken um 8 %, bei Kindern mit ausländischer Staatsangehörigkeit um 5 %. Besonders stark ging die Zahl der dritten Kinder zurück (über 11 %). Der Rückgang betrifft vor allem jüngere Mütter: Bei Teenagern und Frauen unter 25 Jahren lag der Rückgang bei über 30 %, während Frauen über 45 Jahre mehr Kinder zur Welt brachten.

Ursachen des Geburtenrückgangs
Die Ursachen für den Rückgang der Geburtenrate in der Schweiz sind vielschichtig und komplex. Ein wesentlicher Faktor ist die Individualisierung und die damit einhergehenden veränderten Lebensweisen. Immer mehr Menschen wenden sich von traditionellen Familienmodellen ab und suchen nach Sinn und Erfüllung ausserhalb der Elternschaft.

Wirtschaftliche Kosten spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle. Die hohen Wohnkosten, die Ausgaben für Kinderbetreuung und die Opportunitätskosten, die durch Einkommensverluste entstehen, belasten viele Familien. Diese finanziellen Belastungen machen es für viele Paare schwierig, sich für Kinder zu entscheiden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Wohnungskrise. Die Knappheit an bezahlbarem Wohnraum erschwert es jungen Familien, geeigneten Wohnraum zu finden, was die Familiengründung zusätzlich behindert.

Auch geopolitische Unsicherheiten und die sogenannte Öko-Angst tragen zum Geburtenrückgang bei. Viele Menschen machen sich Sorgen um die Zukunft und haben ökologische Bedenken, die ihre Entscheidung, Kinder zu bekommen, negativ beeinflussen.

Schliesslich spielt auch die Familienpolitik eine Rolle. Im internationalen Vergleich bietet die Schweiz weniger grosszügige Familienförderung. Andere Länder wie Frankreich unterstützen Familien stärker und fördern damit auch die Geburtenrate.

Ein Rückgang der Geburtenrate hat erhebliche Auswirkungen
Der Rückgang der Geburtenrate könnte erhebliche Auswirkungen auf verschiedene Bereiche haben. Ein besonders betroffenes Gebiet ist der Arbeitsmarkt. Der bestehende Arbeitskräftemangel könnte sich weiter verschärfen, was die Schweiz stärker auf Zuwanderung angewiesen macht, um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken.

Auch die Sozialversicherungen könnten unter dem Geburtenrückgang leiden. Eine steigende Lebenserwartung bei gleichzeitig sinkenden Geburtenzahlen könnte zu erheblichen Ungleichgewichten in den Sozialversicherungssystemen führen. Dies könnte langfristig die finanzielle Stabilität der Renten- und Gesundheitssysteme gefährden.

Der Immobilienmarkt würde ebenfalls beeinflusst werden. Die Nachfrage nach kleineren Wohnungen könnte steigen, während grosse, abgelegene Häuser an Attraktivität verlieren könnten. Dies würde zu einer Verschiebung der Nachfrage führen, wobei zentral gelegene und gut erreichbare kleine Wohnungen bevorzugt werden. Gleichzeitig könnte der Bedarf an öffentlichen Infrastrukturen, wie Schulen, sinken, während die Nachfrage nach Einrichtungen zur Kinderbetreuung möglicherweise steigen würde, um die Bedürfnisse der arbeitenden Eltern besser zu unterstützen.

Wiederanstieg der Geburten im Jahr 2024?
Die ersten Zahlen zu den Geburten im Jahr 2024 lassen keinen Trendwechsel erwarten. Zwischen Januar und April 2024 wurden 24’300 Babys geboren, eine stabile Zahl im Vergleich zu 2023. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Geburtenzahlen auf diesem niedrigen Niveau stabilisieren werden.

Der Rückgang der Geburtenrate in der Schweiz ist ein komplexes Phänomen mit weitreichenden Folgen. Um den Herausforderungen zu begegnen, sind umfassende Massnahmen und eine vorausschauende Planung erforderlich. Dies betrifft nicht nur die Wirtschaft, sondern auch den sozialen Zusammenhalt und die Gestaltung unserer Lebensräume.

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