«Nachhaltige und smarte Stadt mit hoher Lebensqualität»

Juni 2023

Bettina Furrer, Leiterin Amt für Stadtentwicklung der Stadt Winterthur, spricht im Interview über die Stärken und Herausforderungen von Winterthur, aktuelle Schwerpunkte, Wohnraum und die Zukunftspläne der Stadt.

Frau Furrer, welche Aufgabe erfüllt die Stadtentwicklung?
Wir beschäftigen uns mit den vier Themen Wirtschaft, Wohnen, Smart City und Soziale Stadtentwicklung. Unsere Themen bringen wir in unterschiedlichen Entwicklungsprozessen ein. Dabei stützen wir uns unter anderem auf Trend- sowie Potenzialanalysen und Daten. Wir informieren, beraten und fördern Projekte sowie Angebote rund um diese Kernthemen.

Welche Aufgabe übernehmen Sie in Bezug auf die Standortentwicklung?
Dieses Thema behandeln wir gesamtheitlich und proaktiv. Das Wohnen und die Wirtschaft zum Beispiel können nicht einzeln betrachtet werden, sie beeinflussen einander. Standortentwicklung ist eine Gemeinschaftsaufgabe.

Aktuell beschäftigt uns vor allem der Wirtschaftsstandort, unter anderem mit folgenden zwei Aspekten: Der erste Punkt ist die Profilierung von Arbeitsplatzgebieten. Wir verfolgen dazu den Ansatz von Innovationsökosystemen und erarbeiten entsprechende Grundlagen. Hier haben wir noch Aufbauarbeit vor uns. Zweitens: Die bereits ansässigen Unternehmen, aber auch weitere Akteure, sollen ihre Anliegen sowie Interessen einbringen und sich weiterentwickeln können. Wir sind diesbezüglich im Aufbau eines sogenannten Wirtschafts-Service-Desk.

Welche Ziele verfolgt die Stadtentwicklung Winterthur konkret?
Winterthur soll eine nachhaltige und smarte Stadt mit hoher Lebensqualität sein, die geprägt ist von respektvollem Zusammenleben und guten Bedingungen für die Wirtschaft. Die Bevölkerung beteiligt sich an der gesellschaftlichen Entwicklung, neue Technologien gefördert. Winterthur entfaltet seinen guten Ruf als lebenswerte Stadt weiter – nicht zuletzt dank eines vielfältigen Wohnraumangebotes für unterschiedlichste Bedürfnisse. Wir wollen uns aber in Zukunft auch als Technologie- und Innovationsstandort positionieren. Die Stadt soll sich zudem als Reallabor (WinLab) zur Förderung von Innovationen verstehen und die daraus gewonnenen Kompetenzen nutzen. Ein weiteres Ziel ist das Daten-Monitoring für unsere Kernthemen. Und wir möchten Open Government Data vorantreiben.

Welches sind für Winterthur aktuell die grössten Herausforderungen?
Wie überall sind auch in Winterthur die grossen Themen das Netto-Null-Ziel oder die Digitalisierung. Und Winterthur wächst. Wir benötigen mehr Flächen für Wohnraum, Arbeitsplätze, die Schulen, den Sport und andere Bedürfnisse. Gleichzeitig ist der Boden knapp.

Mit der «Räumlichen Entwicklungsperspektive Winterthur 2040» zeigt die Stadt auf, wo das grösste Verdichtungspotenzial liegt und wie sie dieses nutzen will: Es geht um vielfältig genutzte Gebiete und um Arbeitsplatzgebiete. Das Interesse von Investoren und privaten Grundeigentümerinnen ist gross. Das eröffnet dem Wirtschaftsstandort Chancen, fordert uns aber auch.

Welches sind die beliebtesten Standorte für Unternehmen?
Das kommt ganz auf die Bedürfnisse der Unternehmen an. Je nachdem spielen die Erschliessung, die Zonierung, das Entwicklungspotenzial, die Umgebung oder die Boden- und Mietpreise eine grössere oder kleinere Rolle. Ich wage zu behaupten, dass die Nachfrage grundsätzlich in Richtung zentraler und gut versorgter Standorte steigt. Natürlich gibt es auch Unternehmen, die aufgrund von Flächenverbrauch oder Lärmemissionen eine periphere Lage bevorzugen. Generell gilt es, Industrie- und Gewerbezonen für die Zukunft zu erhalten.

Womit punktet Winterthur als Standort für Unternehmen?
Erstens ist Winterthur hervorragend erschlossen: Der Flughafen Zürich ist in wenigen Minuten erreichbar, die Zugverbindungen nach Zürich und in die Ostschweiz sind optimal. Und mit dem geplanten Brüttenertunnel und dem Ausbau der Autobahn A1 wird die Verkehrserschliessung künftig noch besser. Zweitens können wir mit erfolgreichen und für die Zukunft gerüsteten Technologie-Unternehmen punkten. Dazu zählen grosse, teils börsenkotierte Unternehmen wie Rieter, Sulzer, Burckhardt Compression, Kistler und ebenso eine Vielzahl an innovativen Start-ups. Letztere werden gezielt gefördert, etwa vom Technopark Winterthur, dem Home of Innovation und dem Entrepreneur Club Winterthur. Ein dritter Pluspunkt ist die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Sie stellt durch ihre Forschung und Entwicklung den Wissenstransfer sicher, trägt zu Innovationen vor Ort bei und bringt als Hochschule wertvolle Fachkräfte hervor. Ausserdem sind die ETH und die Uni Zürich auch nicht weit.

Was macht Winterthur als Wohnort attraktiv?
Die bereits erwähnte hohe Lebensqualität und der eigene Charme. Dazu tragen der grosse Anteil an Gärten, eine intakte, historische Altstadt und das breite Kulturangebot bei. Meines Erachtens kommt eine weitere, unterschätzte Qualität dazu: Von fast jedem Ort in der Stadt gelangen Sie in rund zehn Minuten ins Grüne. Nicht zuletzt machen die im Vergleich zum nahen Zürich moderaten Preise und die guten Verkehrsanbindungen zur Ostschweiz Winterthur zu einem sehr attraktiven Lebensmittelpunkt.
Wie sieht es aus mit freiem Wohnraum in Winterthur?
Freier Wohnraum ist im wachsenden Winterthur schon länger rar: Die Leerwohnungsziffer betrug letztes Jahr 0,37 Prozent, was gerade 212 Wohnungen entspricht. Es wird viel gebaut, jetzt und auch in naher Zukunft, soweit wir das heute abschätzen können. Das Thema Wohnen beschäftigt uns, wir sind damit aber nicht allein: Preisgünstiger Wohnraum ist generell in den Schweizer Städten ein grosses Thema.

Zur Person
Bettina Furrer ist seit Dezember 2020 Leiterin des Amts für Stadtentwicklung der Stadt Winterthur. Sie hat an der ETH Zürich Umweltnaturwissenschaften studiert und 2010 promoviert. Von 2004 bis 2018 war sie für die ZHAW School of Engineering zunächst als Dozentin, später als Professorin und Leiterin des Instituts für Nachhaltige Entwicklung tätig. Bettina Furrer ist in Winterthur aufgewachsen und wohnt auch heute mit ihrer Familie in der Stadt.

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