Mit gutem Beispiel voran: Zirkuläres Bauen der Stadt Zürich
Mit der Instandsetzung des Kindergartens Mööslistrasse und dem Neubau des Recyclingzentrums Juch-Areal sammelt die Stadt Zürich wichtige Erfahrungen, damit zirkuläres Bauen künftig in der Breite umgesetzt werden kann.
Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiger Hebel, um die politischen Netto-Null-Zielsetzungen zu erreichen. Wie viele andere Städte weltweit bekennt sich auch Zürich zur Kreislaufwirtschaft: 2022 wurd mit «Circular Zürich» eine Strategie zur Kreislaufwirtschaft verabschiedet. 2023 unterzeichnete Zürich als erste Schweizer Stadt die «Circular Cities Declaration».
Eine intelligente Ressourcennutzung ist besonders beim Bauen gefragt. Mit der «Charta für kreislauforientiertes Bauen» setzen Politik und Wirtschaft 2023 ein Zeichen und verpflichteten sich gemeinsam dazu, Primärressourcen und Deponierraum zu schonen und die CO2-Emissionen der eigenen Bautätigkeit zu senken.
Erste Erkenntnisse aus zwei Pilotprojekten
Doch wie wirken sich die politischen Bekenntnisse auf konkrete Bauvorhaben aus? Welche Herausforderungen stellen sich beim zirkulären Bauen? Und wie verändern sich die Planungs- und Bauprozesse? Antworten auf diese Fragen gewinnt das Amt für Hochbauten der Stadt Zürich durch zwei Pilotprojekte.
Erste Erfahrungen mit der Beschaffung, Lagerung und Aufbereitung von wiederverwendeten Bauteilen sammelte die Stadt beim Umbau des Kindergartens Mööslistrasse 2023 (Bischof Föhn Architekten, Zürich). Lavabos und Toiletten wurden vor Ort abgebaut, gereinigt und aufbereitet. Pflanzentröge von den Balkonen konnten als Aussenraumbegrenzungen wiederverwendet werden. Wo möglich, stammte das eingebaute Mobiliar aus stadteigenen Beständen. Dank eines Bauteil-Screenings konnten Stahlträger, Holzpergola, Brandschutztüren und Küchenelemente bei anderen Bauten identifiziert, demontiert und wiedereingebaut werden. Auf alles, was nicht im städtischen Occasionslager gefunden wurde, wurden so genannte «BauteiljägerInnen» angesetzt.
Das zweite Pilotprojekt, das neue Recyclingzentrum «Juch-Areal», ist deutlich umfassender. Für das Projekt hat das Amt für Hochbauten 2022 einen Architekturwettbewerb mit Re-Use-Anforderungen ausgeschrieben. Die Wettbewerbsteilnehmenden konnten einen digitalen Bauteil-Katalog nutzen oder andere verfügbare Bauteile aus nicht-städtischen Quellen für ihre Entwürfe verwenden. Die Gebäude mussten ausserdem so konzipiert sein, dass sie später einmal selbst als Bauteilmine genutzt werden können (Design for Disassembly).
Die eingereichten Projekte zeigen: Ja, es geht. Vor allem die hohe Qualität der Wettbewerbsbeiträge, die trotz oder vielleicht auch dank der neuartigen Vorgaben entstanden sind, überzeugte die Jury. Das Baumaterial des Siegerprojektes von Graber Pulver Architekten AG (Zürich) baut die Halle des bisherigen Recyclinghofes ab und am neuen Ort mit geringen Anpassungen wieder auf. Entsorgte Bücher, Zeitschriften und Kleider werden als Dämmmaterial genutzt. Platten aus rezykliertem Glas und Aluminium, alte Küchenabdeckungen, Türen und Tischplatten schützen die Fassade vor der Witterung. Ausrangierte Baugerüste werden zu Lagerregalen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass Pilotprojekte einer standardmässigen Einführung in der Breite vorausgehen. Das ist auch beim zirkulären Bauen der Fall. Die Realisierung der beiden Projekte in Zürich zeigt, dass noch viele Fragen geklärt werden müssen: Wie können Bauteile katalogisiert werden? Wie lässt sich die Verfügbarkeit prüfen? Wo werden sie gelagert? Wer übernimmt die juristische Haftung?
Die Planungs- und Bauprozesse werden sich durch das kreislauforientierte Bauen verändern, denn die Bauteilminen müssen – so eine wichtige Erkenntnis – so früh als möglich, am besten zu Beginn der Planungsphase, bekannt sein. Building Information Modeling (BIM) erleichtert die Wiederverwendung von Bauteilen, die Planung ihrer Demontierbarkeit und das Erschliessen künftiger Bauteilminen.
Deutliche Einsparung von indirekten Treibhausgasemissionen in den Pilotprojekten
Dass sich dieser Einsatz lohnt, zeigen die Pilotprojekte. Durch die konsequente Wiederverwendung von Bauteilen konnten, gemäss einer nachträglichen Berechnung, bei der Instandsetzung des Kindergarten Mööslistrasse gut 30% Treibausgasemissionen eingespart werden. Die aktuellen Berechnungen prognostizieren für das Recyclingzentrum Juch-Areal sogar eine Einsparung von 40% Treibhausemissionen gegenüber einem konventionellen Neubau.