Gemeinsam für eine attraktive Bewirtschaftung
Der SVIT Zürich hat seit Herbst 2023 eine Befragung und mehrere Workshops durchgeführt, um Antworten auf den Fachkräftemangel in der Bewirtschaftung zu finden. Auf der Basis der Erkenntnisse werden aktuell erste Massnahmen definiert, die in den nächsten Monaten vorgestellt werden. Wir durften den Prozess begleiten und möchten die Gelegenheit nutzen, die Malaise in der Bewirtschaftung mit dem Blick von aussen mit einem ungeschminkten Blick auf die Situation aufzuzeigen.
Böse Zungen (und langjährige Marktbeobachter) behaupten, dass das Immobilienbusiness in der Schweiz läuft, in guten wie in schlechten Zeiten und ohne viel Zutun der Immobilienbrache. Das Beispiel Bewirtschaftung zeigt allerdings, dass nicht immer alles gut läuft. Der beliebte Sündenbock von Mietern und Medien muss den Kopf hinhalten, wenn der Referenzzins steigt und zinsbedingte Mietpreisreduktionen rückgängig gemacht werden. Oder wenn Nebenkosten steigen, weil Energiekosten explodieren. Oder wenn Zoff unter Nachbarn eskaliert, weil die Grillsaison anfängt. Oder wenn Mieten steigen, weil das Angebot nicht mit der Nachfrage mithält.
Bewirtschafter – genauer bzw. mehrheitlich: Bewirtschafterinnen – haben eine spannende und anspruchsvolle Aufgabe: sie müssen zwei sehr unterschiedliche Kategorien von Kunden zufriedenstellen: ihre Auftraggeber, in der Regel Privateigentümer und Vermögensverwalter, für die sie Liegenschaftsbestände unterhalten und Liegenschaftserträge optimieren sollen, und ihre Mieter, die erwarten, dass ihre Anliegen unbürokratisch erfüllt, Mängel und Schäden rasch behoben, nervige Nachbarn erzogen und Nebenkosten minimiert werden.
Die anspruchsvolle Aufgabe wird zur Belastung, wenn Auftraggeber immer mehr Leistungen für immer weniger Geld fordern, um ihre Renditen zu stützen, und wenn Mieter immer höhere Ansprüche stellen, weil sie davon ausgehen, dass steigende Wohnkosten mit einem höheren Service-Level einhergehen und «nein» keine Antwort ist.
Die Belastung hat Konsequenzen. Wir haben im Auftrag des SVIT Zürich zwischen Oktober 2023 und Januar 2024 eine Online-Befragung unter aktiven und ehemaligen Bewirtschaftern durchgeführt, um herauszufinden, wie Aktive den Beruf einschätzen, wohin es die Ehemaligen verschlagen hat und unter welchen Bedingungen sie in die Bewirtschaftung zurückkehren würden.
Die Antworten sind ernüchternd. Obwohl sich 80% der aktiven Bewirtschafterinnen mit ihrer Arbeit identifizieren, spielt eine Mehrheit mit dem Gedanken, den Job zu wechseln (Bild 1). Besonders bedenklich ist dabei, dass sich zwei Drittel der «Seniors» überlegen, ob sie der Bewirtschaftung den Rücken kehren sollen, und dass sich jede neunte Teamleiterin im vergangenen halben Jahr auf eine Stelle ausserhalb der Bewirtschaftung beworben hat. Die Branche riskiert, ihre erfahrensten Leistungsträgerinnen zu verlieren.
Wir glauben nicht, dass sich die Immobilienwirtschaft den Verlust von erfahrenen Bewirtschafterinnen leisten kann. Eigentümer und Vermögensverwalter beklagen sich schon heute, dass mit jeder Fluktuation Wissen verloren geht und Aufgaben liegenbleiben. Der Versuch, die Kontinuität in der Bewirtschaftung mit Asset Managern sicherzustellen, die früher selbst in der Bewirtschaftung gearbeitet haben, ist nachvollziehbar – aber kontraproduktiv. Unscharfe Rollen- und Aufgabenteilungen führen fast immer zu Friktionen, das Mikromanagement trägt dazu bei, dass Bewirtschafterinnen sich andere Aufgabenbereiche suchen.
Auch Mieter haben viel zu verlieren. Schon heute wird moniert, dass es immer schwieriger wird, hinter Apps und Webformularen persönliche Ansprechpartner zu finden, und dass personelle Wechsel dazu führen, dass Anliegen versanden. Selbst der Mieterverband, der Bewirtschafterinnen gerne als «Abzocker» portraitiert und Mieter dazu auffordert, Mietzinserhöhungen und Nebenkostenabrechnungen «lieber einmal zu viel» anzufechten, sollte eigentlich wissen, dass das Mieterland Schweiz ohne sachkundige Bewirtschafterinnen nicht funktioniert.
So schwierig es manchmal scheinen mag: es ist möglich, die Bewirtschaftung wieder attraktiver zu machen. Wir glauben, dass Liegenschaftsverwaltungen, Auftraggeber und Branchenverbände mit einem konzertierten Effort viel bewegen können.
Liegenschaftsverwaltungen können mehr machen, um Bewirtschafterinnen im Tagesgeschäft und im Umgang mit grossen Portfolios zu entlasten. In vielen Verwaltungen könnten Arbeitsprozesse formalisiert, vereinfacht, standardisiert und sauber digitalisiert werden. Digitalisierungszombies könnten schneller entsorgt und Führungsdefizite aktiver adressiert werden. Offerierte Leistungen könnten oft klarer definiert werden, um Erwartungen zu managen und Konflikte zu vermeiden; wenn Konflikte eskalieren, könnten Bewirtschafterinnen oft besser vor Anfeindungen geschützt werden.
Auftraggeber könnten sich vermehrt darauf besinnen, dass Qualität einen Preis hat, und dass auch Liegenschaftsverwaltungen keine Patentrezepte haben, um mit den oft schwer greifbaren – und manchmal trügerischen – Digitalisierungsdividenden Betriebskosten zu senken. Tatsache ist, dass die Bewirtschaftung anspruchsvoller und aufwändiger geworden ist, und dass der Erhalt und die Erneuerung des Gebäudeparks mehr Köpfe und Kompetenzen brauchen. Kontrolle ist in diesem Kontext zweifellos nötig, aber es braucht auch eine konstruktive Kooperation. Investitionen in Asset Mikromanager bringen wenig, wenn der Bewirtschaftung dadurch zusätzliche Aufwände entstehen und nötige Ressourcen entzogen werden.
Schliesslich können Dienstleister und Branchenverbände das Aus- und Weiterbildungsangebot ausbauen, um Bewirtschafterinnen besser auf veränderte Aufgaben und Arbeitsweisen vorzubereiten.
Der klassische Ausbildungsweg vom Sachbearbeiter zum Bewirtschafter geht davon aus, dass Bewirtschafterinnen alles können, was zum Werterhalt und der Ertragsoptimierung des Gebäudebestands beitragen könnte, von der Übergabe von Mietobjekten über die Liegenschaftsbuchhaltung zur Ausarbeitung von Unterhaltsstrategien und der Begleitung von Mieterausbauten und Sanierungen, und dass drei Jahre Berufserfahrung und ein Fachausweis reichen, um ein Bewirtschaftungsteam zu führen.
Die Immobilienwirtschaft braucht neben klassischen Allroundern auch Spezialisten, die wissen, wie die Energie- und Emissionsintensität von Bestandsliegenschaften mit vertretbarem Aufwand reduziert werden kann, wie Nachverdichtungsprojekte ohne viel Nebengeräusche umgesetzt werden können oder wie Shopping-Center belebt werden können. Dazu braucht es Aus- und Weiterbildungspfade, die Quer- und Wiedereinsteigern die Möglichkeit geben, ihre Stärken auszuspielen, ohne dass sie das gesamte Bewirtschaftungswissen internalisieren müssen. Und es braucht das Bewusstsein, dass die Wertschöpfung im Bestand immer öfter einen Team-Effort erfordert, an dem neben klassischen Bewirtschafterinnen auch andere Fachexperten einen wesentlichen Beitrag leisten.
Die Akteure der Immobilienwirtschaft haben es in der Hand, diesen Beitrag angemessen zu honorieren.