Einflussreiche Stimme in der Immobilienökonomie
Nach seinem Studiums arbeitete Stefan Fahrländer an bekannten Institutionen und Forschungseinrichtungen im Bereich Wirtschaftsforschung und Immobilienanalyse. Seine Laufbahn führte ihn von Berlin über Zürich bis in den Nahen Osten. Als Dozent ist er heute an Universitäten und mit seinen Expertisen eine bedeutende Persönlichkeit in der Immobilienbranche.
Wenn Sie Ihre Zahlen aus den Jahren 2000 bis 2024 vergleichen. Was sticht dabei raus?
Sowohl im Wohneigentumsbereich als auch bei den Mehrfamilienhäusern mit Mietwohnungen sind die Preise unaufhörlich gestiegen. Ein mittleres Objekt gleicher Qualität hat sich seit dem Jahr 2000 im Preis mehr als verdoppelt. So ist eine egaler EWG im landesweiten Mittel um 160 Prozent, ein EFH um 120 Prozent, ein identisches MFH um 90 Prozent teurer geworden. Wohneigentum korrigierte in den Jahren 2014 bis 2019 etwas, weil auf Druck «Selbstregulierungen» bei der Hypothekarvergabe eingeführt wurden. Teilweise haben die Banken aber selbst gebremst. Bei den Renditeimmobilien sticht die Zinswende ab Frühling 2022 hervor, diese wirkte sich auf die Transaktionspreise aus, wobei die Stadt Zürich wenig betroffen war.
Was können Sie für die Jahre 2030 und 2040 voraussagen?
Sowohl die Bevölkerungsprognosen der UNO als auch des BFS gehen davon aus, dass die Bevölkerungszahl der Schweiz weiterhin anwachsen wird. Aufgrund der «Zahl der Köpfe» ist zu erwarten, dass eine namhafte Zusatznachfrage nach Wohnraum bestehen wird. Dazu kommen soziodemographische Veränderungen, die gemäss unseren Erwartungen zu einer weiteren Reduktion der Haushaltsgrösse und somit zu einem Anstieg der Wohnungsnachfrage führen. Die Nachfrage konzentriert sich in den Zentren und Agglomerationen, wobei letztere immer grösser werden, da die Städte «überlaufen».
Welche Probleme hat die heutige Immobilienbranche?
Die Schweiz hat generell nur Luxusprobleme und die Branche selbst wenig Probleme. Die Wohnraumsuchenden werden Schwierigkeiten haben, da dieser nicht dort bereitgestellt werden kann, wo Nachfrage besteht. Das hat einerseits mit Menge zu tun und andererseits mit der Geschwindigkeit der Prozesse; insbesondere der Bewilligungsprozesse. Die Folge ist, dass die Nachfrage räumlich verdrängt wird und die Haushalte mit geringerer Kaufkraft gegenüber den Zahlungskräftigen im Nachteil sind.
Haben Sie Ansätze zur Lösung dieser Probleme?
Wir Ökonomen gehen davon aus, dass die Knappheit dazu führt, dass die Mieten und Preise steigen. In den 1990er Jahren, als die Nachfrage schwach war und die Mieten sanken, hat niemand nach Regulierung gerufen. Seit rund zwei Jahrzehnten hinkt das Angebot in den Zentren aber der Nachfrage stark hinterher und entsprechend herrscht hier wieder grosse Knappheit. Die Alternativen für die Haushalte sind dann kleinere Wohnungen – sofern sie überhaupt eine finden – oder der Wegzug in die Agglomeration, wo noch Wohnungen zu finden sind.
Haben Sie die Kunden-Anforderungen an Ihr Unternehmen verändert? Wie und warum?
Nein. Wir haben immer noch praktisch die gleichen, meistens hoch spannenden, Projekte.
Wie identifizieren Sie erfolgversprechende Standorte für Immobilienprojekte?
Es geht insbesondere darum, welche zukunftsträchtigen Branchen wo angesiedelt sind. Für die meisten Branchen – oder zumindest Teile davon – sind dabei die Zentren präferiert, so dass die Nachfrage nach Flächen in den Zentren gross ist. Dazu kommt, dass zentrale Lagen für viele Haushalte auch sonst sehr attraktiv sind und die Nähe zum Zentrum bevorzugt wird. Entsprechend ist die zentrale Frage, wie sich die Agglomerationen im Raum ausbreiten, was von Baulandreserven bzw. Verdichtungspotential und stark von den Verkehrswegen bzw. Fahrzeiten abhängt.
Welche soziodemographischen und ökonomischen Indikatoren sind aus-schlaggebend für Ihre Markt- und Standortanalysen?
Wir stützen uns stark auf die Nachfragersegmente, die wir zusammen mit sotomo (Wohnen) bzw. CSL Immobilien (Büro, Verkauf) entwickelt haben. Es geht nicht nur um die Zahl der Haushalte bzw. Betriebe, sondern auch um deren Bedürfnisse an den Standort – insbesondere auch an Qualitäten der Mikrolage – sowie an die Flächen bzw. Wohnungen. Neben den Bedürfnissen ist die Zahlungsbereitschaft zu beachten.
Wie bewerten Sie den Mehrwert und das Entwicklungspotenzial komplexer Liegenschaften?
Wir verwenden hierzu die DCF-Methode, wobei die Zahlungsströme der Planung, Erstellung, Vermietung oder Verkauf auf der Zeitachse verortet werden. Zeit ist Geld; das darf nicht vergessen gehen. Weiter ist zu beachten, dass es sich zum Zeitpunkt der Bewertung immer um Annahmen über die Zukunft handelt. Es wird demnach mit Erwartungswerten gearbeitet und das Risiko besteht, dass die Erwartungen nicht eintreten. Diese Risiken müssen zusätzlich zu den Zeitverhältnissen in Form einer Sicherheitsmarge berücksichtigt werden.
Wird die Schweiz von der Immobilienblase heimgesucht?
Die Welt ist mit Geld überschwemmt worden, wobei die Flut nun vorübergehend durch den Zinsanstieg gestoppt wurde. Aufgrund der hohen Schuldenlast und dem grossen generellen Wohlstand dürfte Geld aber auch in Zukunft billig bleiben. Insofern sind die Entwicklungen auf den Immobilienmärkten schon folgerichtig. Wenn es eine Blase gibt, dann ist dies eine generelle Kapitalmarktblase.
Was müsste noch passieren, dass dies passiert?
Von einer Blase würde man sprechen, wenn sich die Preise von den Fundamentaldaten entkoppeln.
Gehen wir ins Ausland. Die Preise in DE sind gefallen. Wie geht’s dem Immobilienmarkt in Deutschland und Österreich? Was haben wir gemeinsam?
Die Schweiz steht finanziell sehr robust da und kann zudem eine eigenständige Geldpolitik verfolgen. Dies hat die Schweizerische Nationalbank am 16. März mit der Zinssenkung demonstriert. Hier ist ein grosser Unterschied zu Deutschland und Österreich, die von den Entscheiden der EZB abhängig sind. Ein weiterer Unterschied – jedenfalls zu Deutschland – besteht darin, dass die Stimmung aufgrund der Krisen und Kriege auch in der Schweiz schlecht ist, aber nicht so miserabel wie in Deutschland. Vergleicht man die Entwicklungen – z.B. der Immobilienpreise – über mehrere Zyklen und Krisen hinweg, dann geht die Schweiz sowohl in der Aufwärts- als auch in der Abwärtsbewegung mit mehr Bedacht vor, als viele ausländische Märkte, die entsprechend viel volatiler sind.
Zur Person
Stefan Fahrländer
Gründer & Partner, Volkswirt und Ökonometriker
Dr.rer.oec. Stefan Fahrländer: Nach seinem Studium in Bern (1992-1998), forscht am DIW Berlin, spezialisiert auf Steuerfragen. Bei Wüest & Partner in Zürich analysiert er Immobilienmärkte und entwickelt Bewertungsmodelle. Als Militärbeobachter der UN im Nahen Osten (2001-2002) diente er der Schweiz. An der ETH Zürich studierte er angewandte Statistik (2003-2005). Seine Dissertation über Immobilienbewertung schloss er 2006 an der Universität Bern ab. 2006 gründete er Fahrländer Partner Raumentwicklung. Als Dozent ist er an verschiedenen Universitäten tätig und Mitglied verschiedener Immobilienverbände.