«Eine Generalisten-Ausbildung eignet sich gut für den Beruf als Standortförderer»
In der Schweiz arbeiten rund 300 Personen als Standortförderer. Einen anerkannten Berufsabschluss gibt es allerdings nicht. Welche Eigenschaften man mitbringen sollte und wie sich das Berufsbild in Zukunft verändern könnte, erklären zwei erfahrene Standortförderer im Gespräch mit Immo!nvest.
Standortförderer pflegen ein Netzwerk, das von Unternehmen über Bildungs- und Forschungseinrichtungen, Fachorganisationen und öffentlichen Institutionen bis hin zu kreativen Persönlichkeiten reicht. Sie bewerben zum einen den Standort durch Imagekampagnen, Messeauftritte wie auch durch den persönlichen Kontakt zu Investoren. Zum anderen setzen sie sich für Innovationen ein, begleiten Firmenansiedlungen, unterstützen KMUs und Startups und fördern damit die kontinuierliche Weiterentwicklung, die Branchenvielfalt sowie die Innovationskraft eines Wirtschaftsstandortes.
In der Schweiz üben etwa 300 Personen die Tätigkeit des Standortförderers aus. Derzeit gibt es keinen anerkannten Berufsabschluss und auch keine einheitliche Ausbildung. Die Schweizerische Vereinigung für Standortmanagement (SVSM) ist dabei, das Berufsbild zu definieren und die Ausbildung zu koordinieren und zu vereinheitlichen. Dabei setzt sie auf die Zusammenarbeit mit Universitäten, Fachhochschulen und Beratungsfirmen.
Immo!nvest hat mit zwei erfahrenen Berufsträgern gesprochen, um zu erfahren, welche Talente und Eigenschaften für den Beruf des Standortförderers von Vorteil sind, wo die Herausforderungen liegen und was sie Berufseinsteigern raten.
Zur Person
Albert Schweizer ist seit 1998 Leiter Immobilien Stadt Schlieren und seit 1999 auch der Standortförderer. Er absolvierte eine handwerkliche Ausbildung, erlangte in der allerersten SVIT Ausbildung den Dipl. Immobilienverwalter und schloss 2004 an der FHS St. Gallen als Immobilienökonom den Master Real Estate Management ab. Von 1984 bis 1998 baute Schweizer bei einem grösseren Ostschweizer Generalunternehmer den Bereich Bewirtschaftung/Kauf/Verkauf auf. Heute ist er Gründungsmitglied (2001) und Vorstandsmitglied der SVSM sowie Vorstandsmitglied von Bio-Technopark Schlieren, Start-Smart-Schlieren, IG Rietbach und Healthtechpark Zürich-Schlieren.
Wie sieht Ihr Berufsalltag in fünf Sätzen beschrieben aus?
In meinem Beruf als Bereichsleiter Immobilien- und Standortförderung der Stadt Schlieren ist vor allem hohe Flexibilität gefragt. Da ich in einem Clustersystem arbeite, delegiere ich stetig Aufgaben an die jeweiligen Verantwortlichen. Daneben betreue ich bis zu 15 parallellaufende Projekte, die viel von meiner Zeit und Aufmerksamkeit fordern. Aus diesem Grund bin ich kurzfristig nicht immer sofort erreichbar.
Welche Ausbildung eignet sich, um den Beruf des Standortförderers auszuüben?
Ich habe einen Masterabschluss der Fachhochschule St. Gallen im Bereich Real Estate. Zudem bin ich bereits seit rund 40 Jahren in der Immobilienszene tätig. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass sich eine generelle Ausbildung im Immobilienbereich sehr gut eignet, um den Job eines kommunalen Standortförderers auszuüben.
Welche Talente und Eigenschaften sind wichtig?
Von grossem Vorteil sind sicher Weitsicht, Nachhaltigkeit und insbesondere Beharrlichkeit. Man muss Menschen und Immobilien mögen und ist gezwungen, alle geforderten Arbeiten von A bis Z selber zu erledigen.
Was schätzen Sie an Ihrem Beruf besonders?
Die Arbeit im Hintergrund sowie die Chance, persönlich etwas bewegen zu können.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen?
Wie so viele Berufe wird sich auch unserer komplett verändern und digitaler werden. Man benötigt ein sehr grosses Netzwerk. In Zukunft werden die Internationalität und damit verbunden die Sprachen ein grosses Thema sein.
Wie wird sich das Berufsbild des Standortförderers in Zukunft Ihrer Meinung nach sonst noch verändern?
Ich denke, es braucht künftig eine einheitliche Berufsbildung, beziehungsweise mindestens einen Lehrgang für den Beruf des Standortförderers mit einem entsprechenden Abschluss.
Was raten Sie jungen Berufseinsteigern, um erfolgreich im Beruf Fuss fassen zu können?
Junge Immobilienfachleute sollten sich vor allem Stellenausschreibungen von Standortförderern anschauen und sich permanent weiterbilden.
Welche Meilensteine und Highlights haben Sie in Ihrem Berufsleben bislang erreicht und erlebt?
Ich durfte wesentlich dazu beitragen, dass die Stadt Schlieren von 650 Firmenansiedlungen im Jahr 2000 auf 1200 im Jahr 2021 zurückblicken darf. Diese erfreuliche Entwicklung löste auch rund 5000 neue Arbeitsplätze aus. In der Stadt Schlieren konnte ich erfolgreich und nachhaltig die Cluster Biotechnologie, Startup-Förderung sowie Medical-/Healthtech einführen.
Zur Person
Mario Epp hat im Jahr 2018 den Master in International Affairs and Governance an der Universität St. Gallen (HSG) abgeschlossen. Nach seinem Praktikum auf der Schweizerischen Botschaft in Baku war er als Projektleiter bei Limmatstadt tätig. Zuletzt war er Mitarbeiter Kampagnen bei der FDP, bevor der gebürtige Urner im Dezember 2021 seine heutige Arbeit als Projektleiter Standortförderung für den Kanton Uri übernahm.
Welche Ausbildung eignet sich, um den Beruf des Standortförderers auszuüben?
Die Tätigkeit als Standortförderer umfasst eine grosse Bandbreite. Deshalb ist eine Generalisten-Ausbildung, wie ich sie an der Universität St. Gallen (HSG) in International Affairs and Governance geniessen durfte, von grossem Vorteil. Die perfekte Ausbildung gibt es meiner Meinung nach nicht: Standortförderung lernt man nicht im Studium, sondern in der Praxis. Wirtschaftliche Affinität, gute Fähigkeiten im Projektmanagement und Kontaktfreudigkeit erachte ich als zentrale Voraussetzungen.
Was schätzen Sie an Ihrem Beruf besonders?
Die Vielseitigkeit und das in mehrerlei Hinsicht: Man trifft auf eine breite Palette von Persönlichkeiten mit verschiedensten Hintergründen aus allen Branchen. Ebenso abwechslungsreich ist das Tätigkeitsfeld: Es reicht von Arealbesichtigungen mit Ansiedlungsinteressenten über Netzwerkanlässe bis hin zu wirtschaftspolitischen Analysen. Kaum ein Tag gleicht dem anderen. Vor allem aber bin ich überzeugt, dass der Wirtschaftsstandort Uri zu Unrecht unterschätzt wird. Zu Gunsten der Urner Bevölkerung und Wirtschaft kann ich dazu beitragen, das Potenzial des Kantons noch besser auszuschöpfen. Eine derart sinnstiftende Tätigkeit auszuüben, schätze ich sehr.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen?
Dazu gehört sicherlich der Fokus auf das Wesentliche. Genauso vielseitig wie der Beruf sind auch die Anfragen und Anliegen, die an die Standortförderung herangetragen werden. Abzuschätzen und zu priorisieren, was dem Standort Uri am ehesten zugute kommt, ist eine Herausforderung.
Wie wird sich das Berufsbild des Standortförderers Ihrer Meinung nach in Zukunft entwickeln und verändern?
Mit der sich abzeichnenden globalen Mindestbesteuerung entgleitet der Schweiz ein nicht zu unterschätzendes Standortargument. Aber die Schweiz und gerade auch Uri verfügen glücklicherweise über weitere überzeugende Standortvorteile. In der Konsequenz gehe ich von einer Verschärfung des Ansiedlungswettbewerbs in der Schweiz aus. Hinzu kommt, dass befeuert durch die Digitalisierung und den Homeoffice-Trend verstärkt Softfaktoren wie die Wohn- und Freizeitqualität ins Zentrum rücken. Softfaktoren sind aber schwieriger zu vermitteln. Ich gehe darum davon aus, dass die Rolle des Standortförderers noch wichtiger wird und der Beruf in der Konsequenz weiter an Bedeutung gewinnt.
Was raten Sie jungen Berufseinsteigern, um erfolgreich im Beruf Fuss fassen zu können?
Das Handwerk des Standortförderers zu kennen, ist das eine. Was aber genauso wichtig ist: Passion für seinen Standort. Ohne diese Leidenschaft wird es schwer, Unternehmen und Menschen für den Standort zu gewinnen. Hier habe ich Glück: Ich bin meinem Heimatkanton stark verbunden. Das macht es einfacher, Interessenten für den attraktiven Gotthardkanton zu begeistern.
Welche Meilensteine und Highlights haben Sie in Ihrem Berufsleben bislang erreicht und erlebt?
Hier ist sicherlich die Startup-Woche Uri hervorzuheben, die im Herbst erstmals stattfindet. Damit will die Standortförderung Jungunternehmen und Wissensarbeitende für den Standort Uri begeistern und dessen Vorzüge hervorheben. Ein weiteres Highlight stellt meine Tätigkeit für die Schweizer Botschaft in Baku dar, wo ich während eines Jahres Einblicke in die Diplomatie erhielt und auch Aserbaidschaner über die Schweiz informieren und für unser Land begeistern durfte.