Digitales Bauen fängt in den Köpfen an
Beim Digitalen Bauen geht es darum, umzudenken. Statt Probleme reaktiv und im letzten Moment auf der Baustelle zu lösen, geschieht dies proaktiv am digitalen Modell. Beim Umdenken hilft der 6-Punkte-Plan von BFH-Dozent Adrian Wildenauer.
Digitales Bauen – meist mit Hilfe von Building Information Modelling (deutsch Bauwerkinformationsmodellierung, kurz: BIM) – stellt in der Baubranche gerade viele altbewährte Prozesse in Frage. Denn digitales Bauen geschieht zuerst im Kopf und am Computer, wo ein virtuelles Modell des Projektes erstellt wird.
Anhand dieser sehr detaillierten 3D-Abbildung des späteren Bauwerks können bereits viele Entscheide getroffen und potenzielle Probleme aus dem Weg geräumt werden. Die Vertreter*innen dieser neuen, digital gestützten Art des Bauens versprechen sich Effizienz- und Qualitätsgewinne, eine Reduktion von Baufehlern und stark vereinfachte Logistik am Bau.
Digitales Bauen: 6-Punkte-Plan vereinfacht das Umdenken
Der Wandel vom analogen zum digitalen Bauen ist aber alles andere als geradlinig. Das weiss BFH-Dozent Adrian Wildenauer aus eigener Erfahrung. Er kennt die Baubranche als Bauingenieur mit all ihren Facetten, vom Armierungseisen bis zur BIM-Modellierung.
Für die SBB hat er einen branchenweiten 6-Punkte-Plan entwickelt, der als Grundlage für das Umdenken vom analogen auf den digitalen Baubetrieb dienen soll. Entscheidend ist aus seiner Sicht, dass alle beim Bau involvierten Akteur*innen beteiligt werden und die Branche gemeinsam voranbringen.
Ziel und Roadmap klären
Beim Digitalen Bauen stehen die Grundlagen, Roadmaps, Modelle und das Zielbild von Anfang an allen Beteiligten zur Verfügung. Dies erlaubt es Baufirmen, Lieferanten, Architekt*innen und Bauherr*innen, sich schon lange vor dem Spatenstich abzustimmen und mögliche Konflikte und Fehlerquellen frühzeitig auszumerzen. «Wir müssen alle Beteiligten der Wertschöpfungskette möglichst früh einbinden», betont Adrian Wildenauer.
Mit Sprache kommunizieren
Digitale Bauprojekte sind darauf angewiesen, dass alle eine einheitliche Sprache sprechen. Dies erreicht die Branche, indem noch stärker mit validen Standards gearbeitet wird. Angefangen bei einschlägigen Begriffen des digitalen Bauens und des Building Information Modelling, über die Normen des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (sia) oder des Kompetenzzentrums für Standards in der Bau- und Immobilienwirtschaft (crb), bis hin zum Austausch mit den branchenrelevanten Verbänden und Vereinen: Gerade am Anfang ist es wichtig, dass sich alle Beteiligten verstehen. Hier hilft auch das gemeinsam erarbeitete Nationale Glossar, in dem die Begriffe gemeinsam definiert wurden.
Mit Datenmodell kommunizieren
Nicht nur die beteiligten Menschen sind auf funktionierende Kommunikation angewiesen, sondern auch die involvierten Systeme. Weil im digitalen Bauen ein virtuelles Modell des Bauprojekts zentral ist, kommt man nicht umhin, gemeinsam ein konsolidiertes Datenmodell für Bauten zu erarbeiten. Dieses erlaubt es, vom Planer bis zum Polier Informationen einfach auszutauschen. «Der Umgang mit Daten ist unsere gemeinsame neue Sprache», erklärt Adrian Wildenauer, «wir müssen sie lernen.»
Bauteile wiederverwenden
Ein Vorteil des digitalen Bauens liegt darin, dass man das Rad – oder eben das Bauvorhaben – nicht unbedingt mit jedem Projekt neu erfinden muss. Schliesslich kommen viele Elemente eines Baus mit jedem Projekt wieder zum Einsatz. Statt dass man diese wie bisher mit jedem Projekt von Grund auf konzipiert, dimensioniert und prüft, verwendet man einfach standardisierte Bauobjekte. Bevor man also zum Beispiel eine Tür plant, baut man ein standardisiertes digitales Abbild derselben. Dieses beinhaltet alle notwendigen Attribute von der Materialwahl über die Zylindergrösse, Breiten und Höhen der Türflügel bis hin zu den Dichtbändern. Dank standardisierter Bauobjekte sparen sich die Firmen also die Zeit für die Konzeption solcher Objekte und vermeiden Fehler. Damit das klappt, müssen Firmen einfach auf eine Sammlung solcher digitalen Bauteile zugreifen können.
Erfahrung sammeln
Wissen in der Baubranche wird oft noch sehr traditionell weitergegeben, von der erfahrenen Meister*in direkt an die Lernenden auf der Baustelle. Im digitalen Bauen kann dieses heute nicht greifbare oder nicht dokumentierte Wissen auf der Baustelle systematisch gesammelt und für die Ausbildung genutzt werden. Aber auch die Erfahrungen mit dem digitalen Bauen selbst können erfasst und die digitalen Tools und Prozesse auf ihre Tauglichkeit geprüft werden. Wenn digitales Baumanagement zu besserer Wissensvermittlung führt, ist die Branche auf dem richtigen Kurs, ist Adrian Wildenauer überzeugt: «Nur wenn wir Wissen teilen, können wir gemeinsam Erfolg haben.»
Bestellgrundlagen vermitteln
Viele Prozesse im digitalen Bauen münden in einer Bestellung, sei es mit der Buchung einer Dienstleistung oder dem Kauf von Materialien. Ein grosser Vorteil des digitalen Bauens liegt darin, dass erforderliche Daten für Bestellungen frühestmöglich im virtuellen Modell des Projekts erfasst sind. Damit auf der Baustelle aber etwas geschieht, müssen alle am Projekt Beteiligten wissen, wie sie Bestelldaten aus dem System beziehen und anwenden können. Entsprechende Schulungen und Dokumentation für Mitarbeitende sind also Pflicht.
In der Praxis zeigt sich, dass digitales Bauen ein gemeinsames digitales Miteinander voraussetzt. Systeme und IT-Infrastruktur sind wichtig, aber erst wenn Architekt*innen, Bauingenieur*innen und Partnerfirmen bereit sind, über die Kompetenzbereiche hinweg zusammenzuarbeiten. Das digitale Bauen beginnt nämlich nicht auf dem Bildschirm, sondern in den Köpfen der Fachleute.