Digitale Betreiber: Eine Perspektive für die zukünftige Bewirtschaftung von Immobilien
WIE WÜRDE MAN HEUTE EINE ORGANISATION AUFBAUEN, DIE IMMOBILIEN BEWIRTSCHAFTET UND BETREIBT, WENN MAN NOCHMALS AUF DER GRÜNEN WIESE BEGINNEN KÖNNTE? STEFAN ZANETTI UND MARTIN EHRAT GEHEN IN DIESEM ARTIKEL DER FRAGE NACH, WIE MAN EINEN DIGITALEN BETREIBER UNTER NUTZUNG DER HEUTE VORHANDENEN DIGITALEN LÖSUNGEN BAUEN KANN, DER BIS ZU 30% EFFIZIENTER, 100% NUTZERORIENTIERT UND ERST NOCH ESG-KONFORM IST.
Die digitale Herausforderung in Immobilienportfolios
Die Digitalisierung ist vollends in der Immobilienwirtschaft angekommen. Grosse Potenziale werden insbesondere in der Bewirtschaftung gesehen. Regulatorische Anforderungen wie bspw. aus dem Nachhaltigkeits-/ESG-Umfeld, Effizienzdruck und neue Nutzeranforderungen oder Nutzungskonzepte lassen eigentlich nur einen Schluss zu: Immobilien wird man in Zukunft nicht mehr so betreiben können, wie man es im letzten Jahrhundert getan hat.
Digitale Lösungen versprechen Entlastung in ganz unterschiedlichen Bereichen der Bewirtschaftung. Allerdings lassen sich diese Potenziale nicht ganz einfach realisieren: Immobilienportfolios werden über Jahre und Jahrzehnte akquiriert. Entsprechend wächst auch die Prozess- und Software-Landschaft zum Betrieb dieser Portfolios über Jahre hinweg. Diese spannt sich zudem über zahlreiche Prozessschritte auf: Den Betrieb von Immobilien systematisch zu digitalisieren, ist daher eine Herausforderung, deren Lösung immer dringender wird.
Statt Schritt für Schritt weitere Anwendungen dazu zu bauen und zu versuchen, ein gewachsenes Gesamtsystem zu flicken, sind in den vergangenen zwei Jahren verschiedene Immobilieneigentümer und -bewirtschafter einen anderen Weg gegangen, nämlich den eines «Greenfield-Ansatzes»: Wie würde man einen maximal digitalisierten Immobilien-Betrieb konzipieren, wenn man nochmals ganz von vorne – auf einer grünen Wiese – starten könnte?
Vor diesem Hintergrund wurde zuerst überlegt, welche «Jobs» in Zukunft überhaupt zu erledigen sind. Es ist davon auszugehen, dass einige herkömmliche Jobs weiter bestehen werden, einige durch die Digitalisierung wegfallen und einige dazu kommen. Ziel war es, einzelne grosse Aufgabenblöcke zu erfassen, die in sich gekapselt verstanden werden können.
Hilfreich ist dabei, die Jobs in drei grosse Kategorien aufzuteilen: Mietermanagement, kaufmännisches Property Management und technisches Property Management. Es hat sich gezeigt, dass man in einer 3×6 Matrix alle wesentlichen Jobs-to-be- done im Immobilienbetrieb abbilden kann.
Einen digitalen Betreiber auf der grünen Wiese aufzubauen folgt dann der Logik, diese einzelnen Jobs-to-bedone ZUERST mit modernen Software-Komponenten so zu unterstützen, dass eine nahtlose Plattform entsteht, in der maximal viele Prozesse automatisiert sind. Erst DANACH wird überlegt, für welche Tätigkeiten Mitarbeitende eingesetzt werden, die dann einen umso grösseren Mehrwert für die Nutzer dieser Immobilien erzielen können. Das Ziel ist also nicht primär nur die Effizienz zu steigern, sondern das immer knapper werdende Personal in der Bewirtschaftung für diese Tätigkeiten einzusetzen, die wirklich Mehrwert stiften.
Natürlich ist das Nutzenpotenzial nicht in allen Prozessschritten gleich gross und eine Umsetzung entsprechend nicht überall gleich dringlich. Eine Priorisierung entlang der Dimensionen Effizienz- und Ertragsimpakt, Einfluss auf Nachhaltigkeitsdimensionen, Mieterzufriedenheit und Transparenz ist wichtig. Eine Toolbox, die die möglichen Werkzeuge in allen Prozessschritten aufzeigt und eine Priorisierung nach verschiedenen Funktionen zulässt, hilft dabei, eine eigentliche Roadmap zu erstellen.
Ebenso wichtig ist es, passende Werkzeuge zur Hand zu haben, die die verschiedenen Systeme miteinander verbinden, beispielsweise eine Integrations- oder Orchestrierungsplattform wie diejenige von Allthings. Ziel ist es ja gerade, einen separaten Einsatz von Insellösungen zu verhindern. Wer bereits frühzeitig die richtige Auswahl an integrationsfähigen Partnern trifft, etabliert ein vernetztes Ökosystem.
Pragmatische Implementierung am Beispiel UBS
Wie setzt man das aber nun in die Praxis um? Wenn die Vision einmal klar ist – einen maximal digitalen Betreiber mit einer integrierten Plattform über verschiedene Software-Komponenten zu etablieren – dann eignet sich wiederum ein Schritt-für- Schritt Vorgehen in der Realisierung. Eine ganze Reihe Immobilieneigentümer und Dienstleister haben sich in den vergangenen Jahren auf diesen Weg gemacht.
Auch die UBS als einer der grössten Immobilieninvestoren in der Schweiz, verfolgt solche Ansätze bei ihren digitalen Innovationsprojekten im Immobilienbetrieb.
Die UBS hat den Weg gewählt, zunächst über einzelne Neubauprojekte einzelne Jobs-to-be-done zu testen und zu validieren, die perspektivisch für eine integrierte Plattform eine wesentliche Rolle spielen.
So wurden beispielsweise auf dem Claraturm in Basel die Prozesse «Mieter finden», «Mieterkommunikation», «Vorfallsbearbeitung» und das Anbieten zusätzlicher Community Services getestet.
Auf dem kombinierten Sanierungs-/Neubauprojekt Grimselhof in Altstetten hingegen sollten die Prozesse «Onboarding», «Vertrags- und Datenmanagement», «Dokumentenmanagement und Berichtswesen» und neue Wege in der Bearbeitung von Reparaturen und Schäden implementiert werden. So lassen sich über die Zeit die verschiedenen Jobs-to-be-done validieren und zu einer Gesamtplattform zusammensetzen.
Der Entwurf eines Plans zum Aufbau digitaler Betreiber lässt sich in der Regel in einer Serie von 3–4 Workshops einfach abbilden. Der im Schaubild dargestellte Ablauf zeigt einen idealtypischen Ablauf eines Planungsvorhabens zur Etablierung eines digitalen Betreibers.
Die bisherigen Erfahrungen mit Greenfield -Ansätzen zeigen, dass eine systematische Implementierung eines digitalen Betreibers in Zusammenarbeit mit Immobilieneigentümern und Dienstleistern den Betrieb von Immobilien um bis zu 30% effizienter, 100% mieterzentrierter, und ab Tag 1 nachhaltigkeitsorientiert macht – und zudem noch eine Menge klassischer Zielkonflikte eliminiert, die aus den herkömmlichen Geschäftsmodellen resultieren.