«Wir wollen unseren Beitrag zur Verdichtung und Ressourcenschonung leisten»

Juni 2019

Ilja K. Schoilew ist Leiter Immobilienentwicklung bei der Häring & Co. AG. Das Motto des Unternehmens heisst: Innovatives Bauen mit System. Innovation ist das Streben nach der bestmöglichen individuellen Lösung für den Kunden. Wirtschaftlich und technisch. Dabei darf Bewährtes durchaus hinterfragt werden.


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Herr Schoilew, das Motto der Firma Häring heisst innovatives Bauen
mit System. Was heisst das konkret?

Innovation ist das Streben nach der bestmöglichen individuellen Lösung für den Kunden. Wirtschaftlich und technisch. Dabei darf Bewährtes durchaus hinterfragt werden. Ansonsten ist eine gute Lösung, welche zum wiederholten Mal umgesetzt wird, gut, aber nicht besser. Innovation kann auch Bauen mit eigenem Rohstoff bedeuten, vor allem wenn er sich aus Sonne und Wasser entwickelt. Warum sollte eine Bürgergemeinde nicht die Eigenmittel für den benötigten Neubau einer Sporthalle oder eines Gemeindehauses mit Holz aus dem eigenen Wald bereitstellen können? Innovation ist Bauen ohne Land.

Das heisst?
Warum sollte ein Immobilieneigentümer nicht die Nutzfläche durch eine Aufstockung erhöhen können? Ganz ohne auf zusätzliche Landressourcen angewiesen zu sein. Wir haben ein System entwickelt, welches Mehr-familienhäuser und Bürobauten mit Aufstockungspotenzial identifiziert. Die vertikale Nachverdichtung mit dem Leichtbaustoff Holz findet innerhalb kürzester Zeit statt und kann durchaus im bewohnten Zustand erfolgen. Innovation kann auch eine flexible, vorgespannte und erdbebensichere Tragkonstruktion in Holz sein. Warum sollte ein Architekt nicht ein grünes Hochhaus damit kreieren können? Ebenso kann Innovation faserverstärktes Brettschichtholz bedeuten. Dadurch wird auch die Verwendung von minderwertigen Holzqualitäten möglich.

Die Firma Häring prüft die Machbarkeit hinsichtlich Lage, Grösse, Potenzial und gesetzlichen Punkten. Wie gehen Sie vor, wenn das Marktpotenzial vorhanden ist?
Die Standortprüfung kann eine kleine Testplanung aber auch eine umfassende Portfolioanalyse beinhalten. Sollte Marktpotenzial erkennbar sein, geht es um die richtige Lösung. Stellen Sie sich eine Blockrandbebauung in der Stadt vor. Mehrfamilienhäuser aneinander gereiht und von mehr oder weniger vergleichbarer Breite und Höhe. Gelegentlich finden sich jedoch Bebauungslücken. Hier ist ein Neubau Mittel der Wahl.

Der moderne Holzbau bietet aus Ihrer Sicht unbegrenzte Möglichkeiten. Wie ist das zu verstehen?
Holz ist extrem vielseitig, leicht, schnell, grün und digital bearbeitbar. Durch neue Verordnungen, insbesondere im Bereich des Brandschutzes, sind dem Baustoff Holz nahezu keine Grenzen mehr gesetzt. Heute werden weltweit Holzhochhäuser gebaut. Auch in der Schweiz ist diese Tendenz erfreulich. Doch es muss nicht immer ein Hochhaus sein. Ein nach oben strebendes Gebäude geringer oder mittlerer Höhe kann durchaus auch faszinieren. Eine Aufstockung in Holzbauweise ist oft auch mit komplizierten statischen Gegebenheiten vereinbar. Die Flexibilität der Tragwerklösung und somit der Grundrissgestaltung kann auch nach Fertigstellung von Vorteil sein. Umbauten sowie die Zusammenlegung oder nachträgliche Trennung von Nutzeinheiten sind mit einfachsten Mitteln möglich.

Als ideenreicher und umsetzungs­starker Schweizer Holzbau-Partner, entwickelt, plant und realisiert ­Häring seit 140 Jahren für Private, Unternehmen und die öffentliche Hand Gebäude- und Raumlösungen
aus Holz für nachhaltige Bauwerke. Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Für die Schweizer Rheinsalinen AG haben wir in Rheinfelden zwei Salzlagerhallen geplant und realisiert. Mit dem geringstmöglichen Aufwand sollte die grösstmögliche stützenfrei überdachte Lagerfläche entstehen. Das Ergebnis sind zwei Holznetzschalenkuppeln mit Durchmessern von 94 und 120 Metern. Mit dem besten Aufwand-Ertrag-Verhältnis für Schuttgüter. Form «follows function». Pragmatisch betrachtet, ist mit dem sogenannten «Saldome 2» der grösste Kuppelbau Europas entstanden. Unempfindlich gegenüber den aggressiven Eigenschaften des Lagermaterials Salz. Die industriellen Anwendungsmöglichkeiten sind neben der Schuttgutlagerung sehr vielseitig. Industriebauten sind einem breiten Publikum jedoch selten zugänglich. Was aus architektonischer Sicht bedauerlich ist.

Mit dem Projekt «Green City House» in Basel entstehen Stadthäuser in
Holzsystembauweise und tragen zu einer nachhaltigen Städteverdichtung bei. Zudem weisen sie eine CO²-Einsparung von über 35 Prozent im Vergleich zu konventionellen Bauten auf. Wann sprechen Sie von nachhaltiger Städteverdichtung?

Nachhaltigkeit ist als Begriff ausgesprochen vielseitig anwendbar. Die ökologische Nachhaltigkeit ist aufgrund der Holzbauweise naturgemäss gegeben. Sei es bei der CO²-neutralen Produktion des Baustoffes oder bei der grauen Energiebilanz. Wirtschaftlich nachhaltig wirken sich die kompakten Wandquerschnitte und die damit verbundene Optimierung der Nutzflächen aus. Ebenso die substanzielle Dauerhaftigkeit, der geringere Wartungsaufwand und die niedrigen Instandhaltungs- und Betriebskosten.

Wie stark hat bei der Immobilien­entwicklung die durchgängige Digitalisierung (BIM) Einzug gehalten?
BIM ist bei unserer Arbeitsweise unentbehrlich. Die Wertschöpfungskette ist lang, und die Immobilienentwicklung steht ganz am Anfang. Es folgen Planung, Konstruktion, Produktion und Realisierung. Wir können eine hohe Kosten- und Terminsicherheit nur mittels durchgängig digitalisierten Prozessabläufen sicherstellen. Nach der Planungs- und Bauphase ist das digitale Bauwerksdatenmodell ebenfalls sehr hilfreich. Die Bewirtschaftung der erstellten Immobilie kann darauf basieren. Im Übrigen ist «simultaneous engineering» im Holz- und Systembau schon lange kein Fremdwort mehr. Wir haben bereits in den frühen 1990er Jahren erste Projekte nach dem damaligen Stand der CAD/CAM-Technik realisiert.

«Architekten bieten wir die Möglichkeit, Ideen umzusetzen.»

Dieses Jahr feiert die Häring & Co. AG ihr 140-jähriges Bestehen. Welche Strategie verfolgen Sie im Bereich Immobilienentwicklung?
Architekten bieten wir die Möglichkeit, Ideen umzusetzen. Es geht darum, ohne Einschränkung der Kreativität, nachhaltig zu bauen. Als General- oder Totalunternehmer gehen wir für Investoren renditeorientiert heran. Das bedeutet jedoch nicht, dass Abstriche bei Qualität und Gestaltung in Kauf zu nehmen sind. Bei der Bauweise gilt, so viel Holz wie nötig. Hybridbauten stellen, falls für die Rendite zuträglich, denkbare Lösungen dar. Landeigentümern bieten wir die Möglichkeit, ihre Parzellen direkt zu veräussern oder, falls erwünscht, in den unterschiedlichsten Varianten als Partner bei der Projektumsetzung zu amten. Aus soziologischer Sicht geht es uns um Verdichtung, um lebenswerten Wohn- und Arbeitsraum ohne Zersiedlung und ohne Kompromisse beim Umweltschutz.

Wo steht das Unternehmen in zwanzig Jahren in Sachen Immobilienentwicklung?
Die Bedürfnisse des Kunden stehen für uns heute und in zwanzig Jahren unverändert im Zentrum. Unser Spektrum, von der kompletten Immobilienentwicklung über den klassischen und spezialisierten Holzbau bis hin zur umfassenden Aufstockungskompetenz, ist bereits breit gefächert. Mit 160 Jahren wollen wir als der Partner im Bereich der nachhaltigen Immobilienentwicklung schweizweit wahrgenommen werden. Wir wollen unseren Beitrag zur Verdichtung und Ressourcenschonung leisten. ■

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