ESG betrifft (auch) die Immobilienwirtschaft
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Woher kommt ESG eigentlich? Die ESG-Verordnung basiert auf dem Pariser Klimaabkommen von 2015. Mit dem Abkommen soll die Erderwärmung auf unter 2 °C, idealerweise auf 1.5 °C gesenkt werden. Diese Werte werden mit dem vorindustriellen Niveau verglichen. Die Vorgaben können nur erreicht werden, wenn die Treibhausemissionen zwischen 2045 und 2060 gesamthaft auf null gesenkt werden. Später sollen gar Teile des emittierten CO² aus der Erdatmosphäre gebunden werden. Soweit das Pariser Abkommen. Die kürzliche Tagung von Glasgow brachte dazu keine wesentlich neuen Erkenntnisse.
Die Europäische Union erliess 2018 einen Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen. Darin wird u.a. der Begriff Nachhaltigkeit definiert. Seit März 2021 ist mit der Offenlegungsverordnung der erste Teilschritt der europäischen Lösung gültig. Im Wesentlichen geht es um nachhaltige Immobilieninvestitionen. Wie gesagt handelt es sich um das Regelwerk der EU. Die Schweiz hat bekanntlich die Klimaziele bis 2050 definiert. Die langfristige Klimastrategie formulierte zehn strategische Grundprinzipien, welche die Schweizer Klimapolitik in den kommenden Jahren prägen sollten. Auch für den Sektor Gebäude wurden strategische Ziele gesetzt. Das CO²-Gesetz hätte die Grundlage für die langfristige Klimastrategie sein sollen. Bekanntlich wurde das nationale Gesetz an der Urne versenkt. Kürzlich wurde im Kanton Zürich die kantonale Umsetzung eines CO²-Gesetzes angenommen.
ESG schaut nicht nur die einzelne Immobilie an, sondern nimmt auch die Investoren in die Pflicht. Die ökologische Nachhaltigkeit (E) bildet mit der Reduktion des CO²-Ausstosses beim Bau und während des Betriebes der Immobilie die Basis. Darüber hinaus nimmt der Bereich Sozialverträglichkeit (S) das Wohlbefinden der Nutzerinnen und Nutzer auf, schliesst aber auch Themen wie Gleichberechtigung oder Menschenrechte ein. Der dritte Bereich heisst Governance (G). Dieser betrachtet die wirtschaftliche Nachhaltigkeit, also die Lebenszykluskosten. Governance betrachtet auch Managementstrukturen, Mitarbeiterbeziehungen oder Vergütungsregelungen. Die grössten Unsicherheiten bestehen sicher bei den Bereichen Social und Governance auf. Wie sollen die Anforderungen daraus umgesetzt werden.
In vielen Unternehmungen ist Excel immer noch ein viel genutztes Instrument. Die Tabellenkalkulation lässt sich vielschichtig nutzen und kann auch einfach angepasst werden. Die Probleme tauchen dann auf, wenn grosse Datenmengen anfallen und verarbeitet werden sollen. Vielfach verwenden die Mitarbeitenden viel Zeit damit, Excel-Tabellen zu pflegen und die Übersicht über die unzähligen Verknüpfungen zu behalten. Hier hinkt die Digitalisierung noch weit hinter den Möglichkeiten hinterher, die der Markt bietet.
Seit 2019 besteht der Winterthurer Ableger der readydata AG. Das PropTech stellt der Immobilienwirtschaft mit Immoledo ein Tool zur Verfügung, welches den Bereich Environmental digital abbildet. Basis von Immoledo ist die Zustandserfassung, welche einfach, schnell und intuitiv vor Ort erfolgen kann. Daraus abgeleitet können Zustandsberichte und Reports mit wenigen Clicks generiert werden. Im Tool sind Bauteile erfasst und mit einem Alterungs-Index hinterlegt. Dieser Alterungs-Index vergleicht die tatsächliche Alterung mit der erwarteten Alterung. Somit können Baumängel, unzureichender Unterhalt oder technische Defekte rechtzeitig erkannt und behoben werden. Die Risikoanalyse der im System bereits erfassten Gebäude ergab, dass fast 60 % der Erschliessungsflächen nicht barrierefrei sind oder dass die Hälfte der Fassaden einen Algenbewuchs aufweisen. Immoledo liefert also eine fundierte Massnahmen- und Investitionsplanung auf der Basis der erfassten Gebäudedaten. Wie wirken sich die Massnahmen schliesslich auf die Nachhaltigkeit aus? Die Anwender von Immoledo erhalten Klarheit über die CO²-Absenkung.
Wenn nun Unterhalt und Investitionen ins Gebäude erfolgt sind, dann interessiert die Frage nach der Wertsteigerung. Auch hier erlaubt Immoledo eine Bewertung des Gebäudes oder des Portfolios nach der DCF-Methode. Überhaupt lassen sich aus Immoledo unzählige Reports erstellen. Alle Informationen sind auch auf einem gut strukturierten Dashboard abrufbar.
Das Team von Immoledo unterstützt die Kundinnen und Kunden aktiv bei der Datenerfassung. Sind bereits strukturierte Daten, z.B. in Excel-Tabellen, vorhanden, können diese via Excel/CSV-Import oder über Schnittstellen zu ERP/CRM-Systemen übernommen werden. Aktuell sind laut CEO Christian Brunner über 3’000 Gebäude auf der Plattform von Immoledo erfasst. Die Aussagen von Immoledo sollen mit zunehmender Zahl von Einheiten auf der Plattform besser werden. Das PropTech setzt auch künstliche Intelligenz (KI) ein, welche mit der wachsenden Datenmenge dazulernt.
Einen ganz anderen Weg geht Visits. Hier handelt es sich um ein Joint Venture zwischen Wüest Partner (WP) und QualiCasa. Beide im Markt seit langem verankerten Beteiligten bringen ihre Stärken ein, d.h. Wüest Partner die Bewertung und QualiCasa die Zustandsanalyse. Visits ist eine App für die Datenerfassung. Die so generierten Daten fliessen ins Dimensions von Wüest Partner. Was früher von Hand auf Papier erfasst wurde, kann jetzt einfach über die App erledigt werden. Laut Sibylle Huber vom Data Analytic Team WP ist dank Visits ein Gebäude in 30 Minuten digital erfasst.
Die Daten laufen über die Datenplattform REDX von Wüest Dimensions zu Visits oder von Visits zu SIDAC von QualiCasa. Auch besteht eine Schnittstelle zu GARAIO REM. So ist sichergestellt, dass in den Basissystemen immer die aktuellen Daten abgespeichert werden. Wer Visits nutzt, startet z.B. in Wüest Dimensions. Das dort ausgewählte Gebäude wird über REDX in die Erfassungs-App Visits geliefert. Hier können nun die Bauteile und die Zustände erfasst werden. Fehlt ein Bauteil, kann diese Information einfach hinzugefügt werden. Dank der Kamera im Smartphone wird alles einfach dokumentiert. Einmal alles erfasst, werden die Daten über REDX wieder zurück ins Basissystem synchronisiert. Selbstverständlich lassen sich aus dem Basissystem verschiedene Reports generieren wie Bauteillebenszyklus, Materialisierung oder Prognose Unterhalts- und Sanierungskosten.
Die beiden Partner WP und QualiCasa wollen das System weiter ausbauen. Zwar besteht ein CO²-Rechner. Allerdings soll dieser erst in den nächsten Monaten bei WP ins Bewerten integriert werden. Gemäss Sibylle Huber sind heute gegen 500 Gebäude über Visits erfasst worden.
Die Software Stratus von Basler & Hofmann ist seit über 25 Jahren auf dem Markt. Damals wurden Zustandsbewertungen nach der Methode Schröder erstellt. Heute ist Stratus ein Online-Tool, welches laut Daniel Schrepfer und Severin Level laufend weiterentwickelt wird. Basis ist das Gebäude, dieses wird in wenige Bauteile gegliedert. Die Kosten der Bauteile werden prozentual, basierend auf zahlreichen Bauabrechnungen nach Gebäudearten, aus dem Zeitwert des Gebäudes berechnet. Jedem Bauteil ist zudem eine Lebensdauer hinterlegt, welche für die Prognose des künftigen Sanierungsbedarfs entscheidend ist. Der Bauteilzustand wird vor Ort erfasst und führt zu einer Einschätzung der «Restlebensdauer». Die Erfassenden haben aber die Möglichkeit, aufgrund des visuellen Eindrucks die Werte manuell anzupassen.
Mit Stratus verfügen Immobilienbesitzer über ein Managementtool für ihr Portfolio, das anhand einer minimalen Anzahl von Eingaben zuverlässige Aussagen zum Portfolio erlaubt. Nach der Erfassung der Gebäude und Bauteile werden die Instandstellungskosten errechnet werden. Das Resultat wird auf einem Zeitstrahl abgebildet. Mit Stratus kann der Portfolio-Manager zuhanden des Steuerungsgremiums die Strategie pro Gebäude festlegen und die entsprechend relevanten Kennzahlen berechnen. Stratus macht mit strategischem Fokus handlungs- und entscheidungsfähig für das «Wo, Wann und Was» über das ganze Portfolio. Ein einfaches Ampelsystem zeigt, wo Handlungsbedarf besteht und zeigt optimale Zeitpunkte und Synergien auf, wann das Geld mit der grössten Wirkung investiert wird (baulich und energetisch).
Mit dem Investitionsplaner (IPL) kann dieser Handlungsbedarf konkret geplant werden, indem bautechnisch und strategisch sinnvolle Massnahmenpakete (Projekte) geschnürt werden. Stratus berechnet anhand von Kennwerten die damit verbundenen Kosten. Sämtliche Investitionen lassen sich als mehrjährigen Multiprojektplan abbilden. Darin werden auch langfristige Auswirkungen (wie Folgekosten, CO²-Emmissionen) der vorgesehenen Massnahmen prognostiziert. Somit kann die Finanzierbarkeit von Projekten frühzeitig überprüft werden.
Laut Daniel Schrepfer wird bei jeder Weiterentwicklung zuerst ein Prototyp gebaut, um die Funktionalitäten und den Workflow mit den Kunden zu testen. Danach wird die neue Funktionalität implementiert und so schnell wie möglich produktiv den Nutzern zur Verfügung gestellt. Basler & Hofmann hat die seit März 21 im Einsatz stehende Version Stratus 7.x komplett neu entwickelt. 2022 soll die Migration der bestehenden Kunden initiiert werden. Bezüglich ESG kann Stratus den CO²-Ausstoss nach Objektgrösse oder nach Zustand darstellen. Auch lässt sich berechnen, wie sich die CO²-Emmissionen nach einer Sanierung reduzieren. In 2022 sollen die ESG-Kriterien auch auf Portfolio-Ebene sichtbar gemacht werden. Ebenso sollen Schritt für Schritt Aussagen zur Gebäudesicherheit und -qualität sowie weiterer strategisch relevanter Aspekte hinzukommen.