«Das Energiegesetz bringt uns beim Klimaschutz einen entscheidenden Schritt weiter»
Dr. Martin Neukom ist das jüngste Mitglied des Zürcher Regierungsrats und als Vorsteher der Baudirektion des Kantons Zürich für rund 700 Bauprojekte zuständig. Im Interview erläutert der Politiker der Grünen, weshalb er beim Energiegesetz zuversichtlich für ein JA an der Urne ist und warum es trotzdem kein Spaziergang wird.
Mit welchen Themen befassen Sie sich als Vorsteher der Baudirektion des Kantons Zürich?
Martin Neukom: Als Regierungsrat habe ich viele unterschiedliche Aufgaben. Einerseits führe ich die Baudirektion mit ihren rund 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Andererseits bin ich Mitglied der siebenköpfigen Regierung, welche sich mit den wichtigen politischen Geschäften aus allen Direktionen befasst. Als Baudirektor bin ich mit sehr unterschiedlichen Themen beschäftigt, vom Lärmschutz über die Landwirtschaft bis hin zum Abfallwesen. Es ist unter anderem diese Vielfalt an Themen, die meine Arbeit spannend macht.
Wie viele Bauprojekte bearbeiten Sie zurzeit?
Das sind rund 700 Bauprojekte – von der Dachsanierung eines Schulhauses bis zum Polizei- und Justizzentrum PJZ, das aktuell eine der grössten Baustellen der Schweiz ist. Wir machen Naturschutz- und Gewässerschutzprojekte genauso wie den Unterhalt der 1500 Kilometer Staatsstrassen im Kanton. Über die Raumplanung beeinflussen wir die Entwicklung, schützen das Kulturland und prägen das Aussehen des Kantons.
Inwiefern profitieren Sie von Ihrem Ingenieurstudium sowie Ihrem Masterabschluss in solaren Energiesystemen für Ihre Tätigkeit als Vorsteher der Baudirektion des Kantons?
Der Austausch mit den Fachleuten in der Baudirektion ist spannend und bereichernd. Mein naturwissenschaftlicher Hintergrund hilft mir beim Verständnis zahlreicher Themen und Projekte, beispielsweise im Energie- oder Umweltschutzbereich, aber auch im Baubereich.
Welches sind die bedeutendsten Bauprojekte, die derzeit kantonal laufen oder in naher Zukunft anlaufen werden?
Dazu gehören etwa das Polizei- und Justizzentrum sowie das Hochschulgebiet Zürich Zentrum mit seinen Neubauten für die Universität und der Aufwertung des öffentlichen Raums. Für die Bezirksanlage Winterthur ist die Grundsteinlegung in diesem November geplant.
Bei der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) laufen gleich mehrere Bauprojekte. Wo sehen Sie hier die grössten Herausforderungen und Fortschritte?
Hier ist das Bauen im Bestand eine grosse Herausforderung. Zudem muss die Fläche im dicht überbauten Winterthur optimal genutzt werden. Diverse Projekte sind bereits erfolgreich abgeschlossen, so zum Beispiel die Hochschulbibliothek.
Laut einer Umfrage hat sich weniger als die Hälfte der Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer beim Heizungsersatz mit Alternativen zu Öl und Gas befasst
Das Thema Energie liegt Ihnen sehr am Herzen. Das CO2-Gesetz ist bei der letzten Abstimmung an der Urne gescheitert. Im Herbst stimmt der Kanton Zürich über das Energiegesetz ab. Welche Ziele wollen Sie mit diesem neuen Gesetz erreichen? Was sind die Kernpunkte für Besitzer von Wohn- und Geschäftsliegenschaften?
Mit der Änderung des Energiegesetzes schafft der Kanton Zürich eine wichtige Grundlage für wirksamen Klimaschutz im Gebäudebereich. Öl- und Gasheizungen müssen künftig am Ende ihrer Lebensdauer durch klimaneutrale Heizungen ersetzt werden. Um hohe Kosten und Härtefälle zu vermeiden, gibt es Ausnahmeregelungen. Die finanziellen Beiträge des Kantons an klimaneutrale Heizungen werden erhöht, um den Umstieg zu erleichtern.
Der Hauseigentümerverband des Kantons Zürich hat das Referendum ergriffen. Der HEV plädiert für Freiwilligkeit und Eigenverantwortung statt für Zwang und Vorschriften. Zudem sagt der HEV, dass die Hausbesitzerinnen und -besitzer ihre Verantwortung längst wahrnehmen würden. Wie reagieren Sie auf diese Argumente?
Heute wird immer noch mehr als jede zweite Öl- oder Gasheizung am Ende ihrer Lebensdauer durch eine neue Öl- oder Gasheizung ersetzt. Damit erreicht der Kanton seine Klimaziele nicht. Laut einer Umfrage in der Stadt Zürich hat sich weniger als die Hälfte der Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer beim Heizungsersatz mit Alternativen zu Öl und Gas befasst. Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es daher verbindliche Regeln für den Ersatz von Heizungen. Das Energiegesetz bringt uns beim Klimaschutz einen entscheidenden Schritt weiter.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass es dieses Mal ein JA gibt?
Soeben hat die Bevölkerung im Kanton Glarus ein noch ambitionierteres Energiegesetz gutgeheissen, als wir es im Kanton Zürich zur Abstimmung bringen. Zudem hat der Kanton Zürich dem CO2-Gesetz mit über 55 Prozent zugestimmt. Ich bin zuversichtlich. Aber es wird auf keinen Fall ein Spaziergang, ganz im Gegenteil.
Die Stadt Zürich scheint klimatechnisch auf Kurs zu sein. Kantonal zeigt sich ein anderes Bild. Wie sensibilisieren Sie den restlichen Kanton Zürich auf das Energiethema?
Es geht mittlerweile mehr ums Handeln als ums Sensibilisieren. Hier würde uns das Energiegesetz enorm weiterbringen.
Bei der finanziellen Förderung von Solaranlagen schneidet der Kanton Zürich im schweizerischen Vergleich schlecht ab. Wann und wie gedenken Sie das zu ändern?
Hier besteht tatsächlich Handlungsbedarf, und wir arbeiten intensiv daran. Zudem hat der Kantonsrat den Regierungsrat beauftragt, bis 2022 eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten.
Wie sieht Ihre Lösung im Mobilitätsbereich aus?
Auch hier muss Netto Null das Ziel sein. Das heisst, es dürfen keine umweltschädlichen Emissionen entstehen. Die Zeit der fossilen Verbrennungsmotoren ist abgelaufen. Je schneller sie ersetzt werden, desto besser für das Klima und somit für uns und die nachkommenden Generationen. Hier ist für mich auch eine gute Zusammenarbeit mit der Volkswirtschaftsdirektion wichtig, die in der Mobilität im Lead ist.
Die meisten Kantone setzen bei den Kantonsbaumeistern auf Architekten. Sie haben Beat Pahud per 1. August 2021 zum neuen Kantonsbaumeister ernannt. Kritiker monieren, dass er kein Architekturstudium absolviert hat. Was entgegnen Sie diesen?
Die Leitung des Hochbauamts mit seinen über 150 Mitarbeitenden setzt kein Architekturstudium voraus. Was es dafür braucht: eine starke Führungspersönlichkeit mit viel Know-how im Baubereich. Beat Pahud ist dafür die ideale Besetzung.