So erobert Blockchain die Immobilienwirtschaft
Die Technologie ist wie der Beginn des Internets: Ihr Potenzial ist riesig. Und disruptiv. In der Immobilienwirtschaft findet sie bereits Anwendung und dürfte sich in den nächsten Jahr weiter etablieren.
Der Begriff Blockchain dürfte mittlerweile geläufig sein. Die meisten verbinden ihn mit Kryptowährungen wie Bitcoin. Das ist richtig, wobei Blockchain lediglich die Technologie und Bitcoin eine daraus resultierende Anwendung ist. Auch wenn die Technologie kompliziert erscheinen mag, der Schweizer Blockchain-Experte Michael Trübestein ist sich sicher: «Die Blockchain-Technologie ist vergleichbar mit dem Beginn des Internets. Sie wird nicht mehr verschwinden. Momentan ist lediglich ungewiss, wie sie sich entwickeln wird.»
Zuerst muss man verstehen, wie eine Blockchain funktioniert: Sie besteht aus einzelnen Blöcken – auf jedem sind Datenverläufe wie beispielsweise Transaktionen gespeichert. Eine Blockchain funktioniert dezentral. Will heissen: Weltweit kann jeder einer Blockchain beitreten – dies natürlich virtuell per Computer. Jeder einzelne Computer speichert alle und exakt dieselben Blöcke, die so eine Kette bilden. Jeder Block hat eine eigene «DNA». Ein neuer Computer wird nur zugelassen, wenn er von allen anderen Computern überprüft und verifiziert wurde. Was einmal auf einer Blockchain programmiert ist, kann im Nachhinein nicht von einem einzelnen Computer geändert werden. Dafür müssten alle Computer beteiligt sein – und genau das ist es, was die Blockchain so sicher macht. Versucht ein einzelner Computer die Blockchain zu ändern, wird die Kette sofort unterbrochen und der Übeltäter ausgeschlossen.
«Hello World» in Baar als erste Immobilie weltweit tokenisiert
Die Möglichkeiten der Blockchain-Technologie sind für die Immobilienwirtschaft enorm, wie Michael Trübestein sagt. Er ist Professor für Immobilienmanagement an der Hochschule Luzern mit den Schwerpunkten Real Estate Investment und Real Estate Asset Management. Zahlreiche Unternehmen forschen zurzeit an möglichen Anwendungsbereichen. «Aktuell gibt es nur vereinzelt Anwendungen, wie zum Beispiel beim Grundbuch oder im Bereich Investment/Finanzierung. Als herausragendes Beispiel gilt die weltweit erste Tokenisierung einer Immobilie, das «Hello World»-Objekt in Baar», sagt Trübestein. Von «Hello World» wurden 20 Prozent (3 Mio. Franken) des Liegenschaftswerts vom Zuger Unternehmen «Blockimmo» tokenisiert und an vier Investoren verkauft.
Auch das Unternehmen «Crowdlitoken» hat sich auf Immobilien spezialisiert: Das 2018 gegründete Start-up versteht sich als eine digitale Immobilienanleihe. «Investoren können sich ab 100 Franken/Euro an ausgewählten Schweizer Immobilien beteiligen. Nach der Investition dürfen sich unsere Anwender ihr eigenes Immobilienportfolio zusammenstellen, indem sie ihre erworbenen Anleihen (Crowdlitokens «CRTs») individuell auf die verschiedenen Immobilien von Crowdlitoken platzieren», erklärt Domenic Kurt, CEO von Crowdlitoken, das Konzept. Durch die Beteiligung an den Immobilien erwirtschaften die Investoren Renditen von bis zu 7 Prozent im Jahr. Diese können sie sich wahlweise monatlich entweder auf ihr Bankkonto auszahlen lassen oder erhalten diese in CRTs.
Der Zugang zum Finanzmarkt wird liberalisiert
Für eine digitale Anleihe muss keine Bank zwischengeschaltet werden, was den Anleger günstiger kommt. Crowd-
litoken verzeichnet bereits 630 Investoren mit einem Volumen von 18 Mio. CRTs. Das Immobilienportfolio wird laufend ausgebaut. Zu den prominenten Anwendern von Crowdlitoken zählt zum Beispiel der Schweizer Fussballprofi Diego Benaglio. Was Crowdlitoken von anderen Unternehmen unterscheidet, die ebenfalls auf die Blockchain-Technologie setzen, definiert Kurt so: «Es gibt keinen vergleichbaren Konkurrenten, der den Investoren eine solch tiefe Investmentsumme als Einstieg für eine Beteiligung an mehreren Immobilien ermöglicht. Investoren können von ihrem Smartphone aus auf das Portal zugreifen, wo sie ihr gesamtes Investment verwalten können.»
Dass Blockchain disruptives Potenzial hat, ist für Trübestein wie auch für Kurt klar. Der CEO von Crowdlitoken sagt: «Banken werden für Anlageprodukte wie unsere obsolet. Neue Vertriebskanäle entstehen, und der Zugang zum Finanzmarkt wird liberalisiert.» Zum einen sei die Digitalisierung des Kapitalmarktes in sich völlig disruptiv, da dies zu einer Öffnung des Marktes führe. «Es gibt keine Zugangshürden; Einstiegssummen werden heruntergesetzt.» Andererseits sei auch die Digitalisierung des Wertpapiers in sich selbst disruptiv: «Dadurch werden Werte nicht mehr über Drittparteien übertragen. Mit Blockchain-basierten Wertpapieren ist es möglich, Werte zu versenden, ohne sie zu duplizieren», erklärt Kurt.
Trübestein ergänzt: «Einige Anwendungen wie etwa Crypto-Währungen haben bereits die Welt und die Denkweise der Marktteilnehmer beeinflusst. Niemand weiss, wie sich die Anwendungen in der Zukunft entwickeln werden, die Vorteile sind aber bereits jetzt klar erkennbar.» Auch die Voraussetzungen seien in der Schweiz gegeben: «Wir haben hier zielführende Rahmenbedingungen und innovative Unternehmen», sagt Trübestein. Bei der Umsetzung der Innovationen sei das Zusammenarbeiten der Unternehmen wichtig. So geschehen beispielsweise bei der «Hello World»- Immobilie – die Transaktion resultiert aus einer Zusammenarbeit von Block-immo, Elea Labs und Swiss Crypto Tokens.
Was ist ein Token?
Domenic Kurt, Crowdlitoken: Ein digitaler, auf der Blockchain basierender Vermögenswert (Token). Er ist eine digitale Repräsentation eines Wertpapiers. Es enthält Eigentumsrechte an der Anleihe sowie das Recht auf Renditen und stellt eine Rückzahlungsverpflichtung dar.
Was ist Blockchain?
Michael Trübestein, Experte: Eine Aneinanderreihung (= chain) von Informationen (= block). Diese sind «time stamped» und werden auf mehreren Computern gespeichert. Damit wird ein hoher Grad an Fälschungssicherheit gewährleistet. Ferner gibt es öffentliche und nicht-öffentliche Systeme. Die Nutzung ist an sieben Tagen pro Woche rund um die Uhr möglich.
Was kann die Blockchain-Technologie besser als eine Bank?
Domenic Kurt, Crowdlitoken: Mit Blockchain-basierten Wertpapieren ist es möglich, Werte zu versenden, ohne sie zu duplizieren. Sie ersetzt das Gläubigerbuch und sorgt dafür, dass Prozesse schlanker, kostengünstiger und effizienter gestaltet und umgesetzt werden.