Barrierefreie Architektur
Eine Studierende von Momoyo Kaijima untersuchte, wie Architektur Barrieren zwischen dörflichem und städtischem Leben abbauen kann.
Unsere Städte und Wohnungen sind oft so gestaltet, dass sie Menschen in Abhängigkeiten drängen und Barrieren schaffen. Eine neue Perspektive in der Architektur zeigt, wie Räume gestaltet werden können, die inklusiv, unterstützend und sozial verbindend wirken.
«Architektur kann brutal sein», sagt Anna Puigjaner, Professorin an der ETH Zürich. Treppen, enge Flure und standardisierte Wohnkonzepte schliessen viele Menschen aus. Sie trennen diejenigen, die können, von denen, die nicht können. Die Normen der Architektur, die oft an die klassische Kernfamilie angepasst sind, berücksichtigen die Vielfalt der Lebensformen kaum. In der Schweiz lebt jedoch nur ein Viertel der Menschen in einer Kernfamilie, während alternative Wohnformen wie Alleinerziehende, Patchwork-Familien oder kinderlose Paare weitgehend ignoriert werden.
Sorgearbeit sichtbar machen
Ein zentraler Ansatz von Puigjaner ist, Care-Arbeit aus dem privaten Raum in die öffentliche Infrastruktur zu integrieren. Aktuelle Architektur macht Pflege, Hausarbeit und alltägliche Tätigkeiten zu einer Herausforderung für viele Menschen, insbesondere ältere oder gesundheitlich eingeschränkte. Puigjaner fordert, dass Sorgearbeit wie Kochen, Waschen oder Kinderbetreuung öffentlich zugänglicher wird, um die Abhängigkeiten zu verringern.
Beispiele wie die «Manzanas del Cuidado» in Bogotá zeigen, wie Bibliotheken in multifunktionale Versorgungszentren umgewandelt wurden. Hier finden sich Küchen, Kinderbetreuung und Wäscheservices unter einem Dach. In Tokio und Singapur fördern öffentliche Küchen den sozialen Austausch und reduzieren Pflegekosten.
Architektur, die verbindet
Puigjaner plädiert für eine Architektur, die Begegnungen fördert und Gewohnheiten integriert, die Unterstützung normalisieren. Eine Umgebung, in der Menschen gemeinsam kochen oder sich gegenseitig helfen können, schafft Interdependenzen, statt Abhängigkeiten zu verstärken. Ein solches Konzept hilft nicht nur älteren Menschen, sondern auch allen anderen in verschiedenen Lebenssituationen.
Die Zukunft der inklusiven Architektur
«Unsere gebaute Umwelt sollte keine Barrieren schaffen, sondern Möglichkeiten eröffnen», sagt Puigjaner. Dies erfordert ein Umdenken in der Planung von Städten und Gebäuden. Öffentliche Infrastrukturen wie Gemeinschaftszentren, inklusive Wohnungen und multifunktionale Stadtquartiere könnten nicht nur soziale Isolation verringern, sondern auch bestehende Machtstrukturen aufbrechen.
Architektur hat die Macht, Barrieren zu beseitigen und gesellschaftliche Teilhabe zu fördern. Durch die Integration von Sorgearbeit in die öffentliche Infrastruktur und das Schaffen von inklusiven Räumen kann eine neue, verbindender Architektur entstehen, die allen Menschen ein unabhängigeres und erfüllteres Leben ermöglicht.